EngelChronik 2017 - Peru & Bolivien

Hualca Hualca

21.09.2017

Übernachtung: Hotel Urinsaya, Chivay, 3640m

So richtig gut schläft man im Zelt, in der Höhe, in ungewohnter Umgebung ja nie, aber ich fühlte mich nicht schlecht, als das Handy 'Aufstehen!' signalisierte. Allerdings waren meine Hände und Füße (und vermutlich auch mein Gesicht) ziemlich angeschwollen, deswegen schaffte ich es nicht, im Sitzen in meine Expeditionsstiefel zu kommen. Ich packte meinen gesamten Kram und ging ins Messezelt, wo ich im Sitzen und teilweise im Stehen mit viel Gewaltanwendung endlich in die Stiefel kam.

Boah, waren die eng! Mir taten erst mal schon im Sitzen die Füße weh. Aber das kenne ich schon, das muss man eine Weile aushalten, dann wird das überflüssige Wasser aus dem Gewebe und aus den Gelenken rausgedrückt. Und die Hände muss ich beim Frühstück ein paar Mal zu Fäusten ballen und wieder loslassen, den Rest erledigt dann die Bewegung, die zu diesen Gelegenheit ja unweigerlich kommt.

Alle hatten bereits die Gurte an, aber ich wollte den Gurt nicht direkt anziehen und erklärte auch warum: Pinkeln wird mit Gurt noch umständlicher als es mit den 3 Hosen und allem sonstigen Drumherum eh schon ist. Ich wollte den Gurt erst anlegen, wenn wir ihn tatsächlich brauchten. Verständnisvolles Nicken der Herren um mich herum.

Wir bekamen ein opulentes Frühstück (Semmeln, Obst, Eier), von dem keiner - außer Richie, Renzzo und Gary - so wirklich viel aß und ein Lunchpaket mit Sandwiches, Obst, Saft und vielem Süßkram. Ich steckte das einfach unbesehen in den Rucksack, obwohl da schon Nüsse und Riegel und Tee drin waren. Wer konnte, verzog sich schnell noch mal in die Toiletten-Gegend und dann ging es auch schon los.

Gary mit dem wunderbar steten langsamen Schritt ging voran, wir alle folgten im Gänsemarsch, Renzzo irgendwo in der Mitte, Richie hinten dran. Renzzo hat die Angewohnheit, in unregelmäßigen Abständen eine kleine gepfiffene Melodie loszulassen. Gary antwortete mit einer ähnlichen Melodie. Ich nehme an, das ist sowas wie "Alles gut hier!". Ich mochte das mit der Zeit sehr, hier war es allerdings erst noch neu.

Im Dunklen sieht man auch mit den besten Stirnlampen nicht viel und so kann man in einen schönen meditativen Trott fallen. Ich sah eigentlich nur Ralles Stiefel vor mir. Nach einer guten Stunde (oder so, kein Zeitgefühl in der Nacht), gab es die erste Pause an einem Felsen in einer Sandebene. Ich biss schnell in einen Riegel und trank ein wenig Tee, dann ging es weiter. Es ging mir recht gut, was ich angesichts der Höhe und der für meine Vorstellungen mangelnden Anpassung echt prima fand.

Nächtliche Pause
Nächtliche Pause

Beim nächsten Stopp an einem Felsen in einem Hang gab es nochmal Tee. Nach dem Loslaufen fiel mir das Steigen schon ein bisserl schwerer, aber noch war alles gut. Wir stiegen den Hang weiter hinauf, querten ein paar grobblockige Passagen und dann wurde das Gelände wieder ein wenig flacher.

Ob die Jungs da dann schneller gingen oder ob da einfach die Höhe zuschlug oder meine Kondition einfach nicht ausreichte, ist schwer zu sagen. Jedenfalls fiel es mir von Schritt zu Schritt schwerer, mitzuhalten. Und ich bekam Kopfweh. Und ein komisches Gefühl in der Magengegend. Und fing an, mich ein wenig schwindlig zu fühlen.

Ich fiel zurück. Ralle und Richie fragten, wie es mir ginge und ich gab einen Status-Bericht. "10 Minuten noch bis zur Pause!", meinte Richie und ich meinte, das würde ich schaffen. Bei der Pause an einem weiteren großen Stein in einer weiten Sandebene (inzwischen wurde es langsam hell und man sah die Umgebung) schlug Richie vor, den Rucksack da zu lassen und gaaanz langsam mit Renzzo und Ralle nachzukommen. Das klang machbar und definitiv besser als abbrechen - ich stimmte zu.

Der Stein, an dem der Rucksack warten musste, und Renzzo
Der Stein, an dem der Rucksack warten musste, und Renzzo

Aus dem Rucksack nahm ich nur Foto und GPS mit. Ich zog die Daunenjacke an und setzte den Helm auf und gab Ralle die Skihandschuhe. Ralle schlug noch vor, Diamox zu nehmen, was ich tat. Dann war ich bereit und wir gingen langsam weiter. Ohne Rucksack war es unvergleichlich leichter zu gehen (zu viel, drin zu schwer). Es war nach wie vor sehr anstrengend und weil Renzzo nicht Garys Super-Schritt drauf hatte, wurden wir doch immer wieder ein klitzekleines bisserl zu schnell und ich musste anhalten und durchschnaufen. Aber die anderen vor uns waren nicht wirklich schneller, nur halt inzwischen 100 Meter weiter.

Aufstieg ohne Rucksack (rechts, ein Stück weiter, die Anderen)
Aufstieg ohne Rucksack (rechts, ein Stück weiter, die Anderen)

Von Anfang an waren wir weglos unterwegs gewesen, aber im unteren Teil, war sowohl die Asche, als auch das Blockgelände einigermaßen gangbar gewesen. Nun waren wir am Gipfelaufbau und das Gelände wurde deutlich steiler. Zudem war es feuchter (also gefrorener) und so war das Gehen teilweise ziemlich übel, weil man die Stiefel in der steilen gefrorenen Asche nicht richtig setzen konnte. Renzzo lief deswegen meistens in einem kleinen Bach, der zwar Stufen bot, dafür aber vereist war. Ich wurde angeseilt, dem Ralle traute Renzzo den Aufstieg auch allein zu.

Aufstieg im vereisten Bach
Aufstieg im vereisten Bach

Trotz vieler Verschnaufpausen meinerseits kamen wir ähnlich schnell voran wie die anderen und als die vor der Steilstufe vor dem Grat anhielten, erreichten wir sie dann sogar. Simon sah genauso kaputt aus wie ich mich fühlte, das fand ich prima.

Vor dem Steilstück
Vor dem Steilstück

Die letzten 30 Meter bis zum Grat waren die anspruchsvollsten des gesamten Aufstiegs. Erst mussten wir etwa 20 Meter einen sehr steilen komplett gefrorenen und teilweise vereisten Aschekegel hinaufsteigen und dann noch 3 Meter über einen bröseligen Absatz klettern. Jeder löste viele kleine und größere Steine, die alle die Rinne hinab purzelten, die wir aufgestiegen waren. Ist schon gut, wenn hier nicht viele Leute aufsteigen!

Die kleine Kletterei
Die kleine Kletterei

Am Grat waren wir zwar noch immer nicht ganz oben, aber wir konnten wunderbar den Gipfel überblicken und auf der anderen Seite runter schauen. Nicht allzu weit weg begrüßte uns der Sabancaya mit einer dicken schwarzen Aschewolke. Direkt vor uns lag ein beeindruckendes Büßereisfeld, dessen Säulen sicherlich zwei bis drei Meter hoch waren. Gut nur, dass sowas nicht auf unserem Weg lag!

Oben ein beeindruckendes Büßereisfeld
Oben ein beeindruckendes Büßereisfeld
Ralle knapp über der Kletterei
Ralle knapp über der Kletterei
Die letzten Meter am Grat
Die letzten Meter am Grat

Zum Gipfel waren noch etwa 50 Höhenmeter zurückzulegen. Der Gipfel selbst - also unserer, es gab weiter drüben noch einen, der ähnlich hoch war - war zu klein für uns alle, deswegen warteten Renzzo, Ralle und ich ein Stück unterhalb, bis die anderen wieder runter gekommen waren und stiegen dann auf. Der erste Gipfel, Hurra!
Hualca Hualca, 6025m!
(Und was eine Anstrengung das gewesen war!)

Wir warten darauf, den Gipfel besteigen zu dürfen
Wir warten darauf, den Gipfel besteigen zu dürfen
Bild von Franz
Oben! Hulaca Hualca, 6025m!
Oben! Hulaca Hualca, 6025m!
Bild von Richie
Gipfelrundblick mit Sabancaya und Ampato
Gipfelrundblick mit Sabancaya und Ampato
Sabancaya
Sabancaya

Für den Abstieg hatten unsere Guides sich das steile Aschefeld ausgeguckt, das fast direkt vom Gipfel aus auf unsere Aufstiegsroute mündete. Das Aschefeld war teilweise gefroren und Gary hackte deswegen oben ein paar Stufen in den Sand. Die Steirer Buam und Ralle durften mit Gary allein absteigen, Richie nahm Simon ans Seil, Renzzo Rolf und mich.

Gary bereitet den Abstieg vor
Gary bereitet den Abstieg vor
Die guten Bergsteiger folgen frei
Die guten Bergsteiger folgen frei

Inzwischen - es ging ja nicht mehr bergauf - ging es mir wieder gut und ich wäre auch seil-frei abgestiegen, aber das wollte natürlich keiner der Guides zulassen. Richie und Simon stiegen als erste Seilschaft ab, dann kamen Renzzo, Rolf und ich. Ich ging vorn und musste immer drauf aufpassen, dass das Seil zwischen Rolf und mir einigermaßen gespannt war, was wegen der unterschiedlichen Kurven von Gary nicht immer klappte. Nach einer kleinen Weile wurde umsortiert und ich kam ich zu Richie und Simon ans Seil und Renzzo und Rolf stiegen extra ab. Simon war vorn, ihm konnte ich gut mit gespanntem Seil folgen.

Die anderen Bergsteiger steigen am Seil ab
Die anderen Bergsteiger steigen am Seil ab

Der Abstieg war nicht schwierig, aber teilweise etwas unangenehm. Manchmal befand sich unter der obersten Ascheschicht gefrorener Boden und dann rutschte man leicht mit den oberen Zentimetern Asche ein Stück ab. Meistens konnte man aber schön in dicke lockere Asche treten. So ging der Abstieg wunderbar leicht und schnell. 2 Leute an einem Seil ist halt schon ein wenig blöd, deswegen entließ mich Richie bald vom Seil, nachdem ich glaubhaft versichert hatte, dass ich problemlos seil-frei absteigen können würde.

Noch ist der Abstieg in der losen Asche einfach (nicht mehr lang)
Noch ist der Abstieg in der losen Asche einfach (nicht mehr lang)

Wir trafen die anderen unten kurz vor der Sandebene, wo mein Rucksack deponiert war. Die sausten dann alle schon weiter, ich entledigte mich erst mal des Gurts. Ralle, Simon, Richie und ich gingen dann weiter hinab auf die Sandebene, wo Gary meinen Rucksack gut sichtbar an der Abstiegspur platziert hatte.

Rückblick zur Aufstiegsroute
Rückblick zur Aufstiegsroute

Der Abstieg ins Lager war dann endlos lang und so schön wie oben konnte man dann auch nicht mehr durch die Asche cruisen. Deswegen wurde ich auch deutlich langsamer (Angst ums Knie, was sonst). Simon und Richie schlossen sich auf dem unteren Drittel den Steirer Buam an, Ralle und ich stiegen mit Rolf und Renzzo weiter ab.

Die letzten Meter von egal was sind ja immer die schlimmsten und ich hatte das Gefühl, es wirklich nur mit dem allerletzten Quäntchen Energie bis zum Lager zu schaffen. Dort fiel ich einfach ins Gras (dumme Idee, da war es feucht) und zog alles bis auf Leggins und T-Shirt aus. In unserem windstillen Lager auf 4850m war es tatsächlich heiß.

Das Lager wird abgebaut
Das Lager wird abgebaut

Im Messezelt gab es dann nochmal Suppe und viel zu trinken (Cola!), dann packten wir unseren Kram zusammen und stiegen ab. Die Zelte mussten wir nicht abbauen, das machte das Team. Der Abstieg zum Bus war dann nochmal sehr anstrengend und ich fiel wie immer weit zurück (natürlich immer begleitet vom Ralle), denn gut zu gehen war der Asche-Geröll-Mix nicht. Am Bus war ich komplett alle.

Gruppenbild am Bus<br/>Hinten: Jeep-Fahrer, Rolf, Armando, Renzzo<br/>Vorn: Richie, Gary, Andrea, Franz, Simon, Paul, Steffen
Gruppenbild am Bus
Hinten: Jeep-Fahrer, Rolf, Armando, Renzzo
Vorn: Richie, Gary, Andrea, Franz, Simon, Paul, Steffen

Den Weg zurück nach Chivay verschlief ich zur Hälfte. In unserem Hotel bekamen wir diesmal ein größeres Zimmer zugewiesen, das war nett. Nach einer langen Dusche, Zeug säubern (Vulkane sind unerfreulich staubig) und Umpacken gingen wir ein paar Straßen weiter und aßen in einer Hendlbraterei (oder sowas Ähnliches) einen Riesenhaufen Hendl und Pommes zum Abendessen. Gut und viel, danach ging eigentlich nur noch Koma.

Bilder:
Nächtliche Pause   Der Stein, an dem der Rucksack warten musste, und Renzzo   Aufstieg ohne Rucksack (rechts, ein Stück weiter, die Anderen)   Aufstieg im vereisten Bach   Vor dem Steilstück   Die kleine Kletterei   Oben ein beeindruckendes Büßereisfeld   Ralle knapp über der Kletterei   Die letzten Meter am Grat   Wir warten darauf, den Gipfel besteigen zu dürfen   Oben! Hulaca Hualca, 6025m!   Gipfelrundblick mit Sabancaya und Ampato   Sabancaya   Gary bereitet den Abstieg vor   Die guten Bergsteiger folgen frei   Die anderen Bergsteiger steigen am Seil ab   Noch ist der Abstieg in der losen Asche einfach (nicht mehr lang)   Rückblick zur Aufstiegsroute   Das Lager wird abgebaut   Gruppenbild am Bus<br/>Hinten: Jeep-Fahrer, Rolf, Armando, Renzzo<br/>Vorn: Richie, Gary, Andrea, Franz, Simon, Paul, Steffen  

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