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Wallis 2008 - Castor

Dienstag, Mai 20, 2008

Natürlich waren wir wieder die ersten beim Frühstück (es geht doch nichts über Kaffee und Zeit in der Früh), aber diesmal tauchten nicht lang nach uns auch die anderen auf. Pünktlich zur ausgemachten Zeit standen wir vor der Tür, wo das Taxi bereits wartete.

Im den diversen Transportmitteln in Zermatt bereiteten wir den anderen Leuten diesmal noch mehr Freude, immerhin waren es jetzt 10 spitzige und scharfe Eispickel, die den anderen Leuten im vollgepackten Bus oder den Seilbahnen zu nahe kommen konnten.

Ohne Zwischenfälle gelangten wir aufs kleine Matterhorn, wo wir uns - diesmal ohne Abstecher zur Aussichtsplattform -  am Kaffeebar-Container sammelten und auf die beiden Nachzügler warteten. Der eisige Wind von gestern hatte wenn überhaupt dann nur unwesentlich nachgelassen. Und da wir 2 Stunden früher dran waren, war es empfindlich frisch, sogar im Windschatten des Containers.

Jörg und Lisanne tauchten fertig aufgerödelt aus dem Tunnel auf und fragen betont unschuldig, warum wir uns denn nicht auch drin umgezogen hätten, hier draussen sei es doch ganz schön kühl ...

Hintereinander liefen wir die breite Spur Richtung Breithorn entlang (Zu dem wie an einer Perlenschnur aufgezogen, unendliche Menschenmengen hinauf stiegen. Gut dass wir gestern dort gewesen waren, da hatten sich wegen der Verhältnisse vergleichweise wenige Leute hingewagt.) und dann daran vorbei ein paar Meter hinauf zu dem kleinen Plateau, wo wir die eben erst aufgebrachten Felle wieder abnahmen.

Das darauf folgende Wegstück als ‘Abfahrt’ zu bezeichnen, wäre ein wenig hochtrabend. Es galt etwa 100 Höhenmeter auf diverse Kilometer verteilt an den verschiedenen Breithorngipfeln entlang hinabzukommen. Wir versuchten der flachen Spur möglichst ohne Geschwindigkeitsverlust zu folgen, mussten aber trotzdem hin und wieder ein wenig schieben, bis wir schliesslich etwa unterhalb des Breithornzwillings am tiefsten Punkt ankamen, wo wieder aufgefellt werden musste.

Die ‘Abfahrt’ hierher war nicht wirklich vergnüglich gewesen, hatte uns aber in kurzer Zeit dem Castor ein bedeutendes Stück näher gebracht. Von hier konnten wir anhand diverser Seilschaften die gesamte Spur über den breiten Hang zum Grat und dann zum Gipfel sehen. Sah von hier nicht allzu steil aus und ich dachte, wir würden bis unterhalb der Steilstelle zum Grat mit Skiern gehen können. Fein, wo doch Skitragen viel anstrengender ist.

Sehr gemütlich machten wir uns auf den Weg am Pollux vorbei zum Castor. Uwe warf begehrliche Blicke auf den Pollux und schlug Krümel dann vor, da schnell noch hochzugehen, während wir anderen langsam den Castor überschritten. Krümel war gleich dabei und so seilen sich unsere beiden Rennskitourer ab, um schnell mal links rauf auf den Pollux zu gehen.

Wir stapften unterdessen gemütlich weiter zum Castor, der je näher wir kamen umso eisiger aussah. Meine Vorstellung, man könne mit den Skiern unter den Füssen bis knapp unter den Grat steigen, fiel bald der Realität zum Opfer. Direkt vor uns, etwa dort wo der flache Zustieg in den steileren Castor überging, hörte der Schnee auf und Eis fing an.

Folgerichtig war dort dann auch das Skidepot der vorsteigenden Seilschaften und unser Umbauplatz. Alle bastelten die Ski an den Rucksack und wir teilten uns in Seilschaften auf. Jörg bestimmte, dass Lisanne direkt hinter ihm gehen müsse und dass seine Seilschaft die erste sei. Yak, ich und Ralle (in dieser Reihenfolge) bildeten an unserem kurzen Halbseil die zweite Seilschaft.

Und dann ging es los. Schritt für Schritt und mit vielen Pausen arbeiteten wir uns im Schneckentempo den Castor hinauf. Es war extrem gemütlich, ich bin noch nie so eine bequeme Hochtour gegangen. Der Ralle, für den Stillstand so ziemlich das Schlimmste ist, was man ihm antun kann, weil ihm dann alles weh tut, verzweifelte auf halben Weg beinahe: ‘Was *tun* die denn da?’

Wir schossen unzählige Fotos auf dem Weg die Castor-Flanke hinauf. Die Spur führte zum Teil über harten Firn, zum Teil durch nicht allzu tiefen Schnee, die Blankeisfelder wurden alle sauber umgangen. Ich fand es teilweise sehr steil, aber Yak und Climby meinten übereinstimmend, steiler als etwa 40 Grad sei es nirgends.

Kurz vor dem Steilstück zum Grat (wo der obere Gletscherschrund überwunden werden musste), hielt es der Ralle nicht mehr aus und er scheuchte unsere Seilschaft mit Yak vorn dran an den anderen vorbei zum Grat. Uwe und Krümel hatten uns inzwischen nach ihrer Beinahe-Pollux-Besteigung (sie hatten vor der Felspassage kapituliert, weil sie das Seil unten gelassen hatten) wieder eingeholt und stiegen sogar noch vor uns ein. Dann folgten Yak, ich und Ralle.

Der Bergschrund war über eine Eisbrücke leicht zu überwinden und das Steilstück danach (das waren jetzt aber 50 Grad, ungefähr 10 Meter hoch) hatte inzwischen schon richtig schöne Tritte, so dass man nicht mal anstrengend auf den Frontzacken balancieren musste.

Als wir dann den Nase über den Grat streckten, mussten wir feststellen, dass der widerliche kalte Wind von gestern kein Stück nachgelassen hatte und einem fröhlich kleine Eisbrocken ins Gesicht blies. Man musste so schnell wie möglich aufstehen, um wenigstens kein Eis mehr ins Gesicht zu bekommen, vor dem Wind war jedoch kein Entrinnen.

Der Grat zum Gipfel war recht schmal und fiel in beide Richtungen steil ab, ich schätze beide Seiten auf bis zu 60 Grad (die Stelle wo wir raufgekraxelt waren, war die flachste im Aufstiegshang). Das wäre schon ohne den Wind ein Balanceakt gewesen, mit dem Wind, der an den Skiern am Rucksack eine tolle Angriffsfläche hatte, war es besonders dort wo man wirklich wenig Platz hatte, die Füsse zu setzen, ein wenig abenteuerlich. Wir stapften mit aller gebotenen Vorsicht zum Gipfel hinüber, wo Krümel und Uwe schon warteten.

Direkt hinter dem Gipfel war es beinahe windstill, so dass wir da halbwegs angenehm auf die anderen warten konnten. Uns war nicht ganz klar wo wir weiter gehen sollten. Über den schmalen Grat weiter zum zweiten Castor-Gipfel und dann zum Felik-Joch oder (wie unsere Vorgänger-Seilschaft) im kleinen Sattel zwischen den beiden Gipfeln links ab und um den Gletscherbruch herum nach unten und zurück hinauf zum Joch.

Jörg kannte sich hier aus, also warteten wir auf ihn und die anderen. Wir warteten lang. Trotz unseres halbwegs windstillen Plätzchens wurde es uns langsam kühl. Eine Zweier-Seilschaft, dem Anschein nach ein Bergführer mit Gast, kam am Gipfel an und stieg an uns vorbei zum Sattel hinab. Der Weiterweg war mir von hier oben schon die ganze Zeit nicht allzu angenehm erschienen, der Grat sah extrem schmal und steil aus, bestand zum Teil aus blankem Eis und fiel nach Italien nahezu senkrecht ab.

Dem Bergführer war der Grat wohl auch nicht geheuer, denn er fing an Stände zu bauen und seinen Gast nachzusichern, seltsamerweise auf der supersteilen rechten Seite. Die beiden kam nur sehr langsam voran.

Schliesslich tauchte der Rest unserer Truppe auf. Jörg hatte sich beim Sichern oder Stand bauen auf dem windigen Grat beinahe die Finger erfroren und brüllte vor Schmerz, als das Blut langsam in die kalten Hände zurück floss. Er entschied, dass wir wegen des Windes nicht über den zweiten Gipfel gehen, sondern links auf den Zwillingsgletscher absteigen sollten. Während wir noch am Gipfel diskutierten, zog eine Vierer-Seilschaft an uns vorbei und stand nun vor uns auf dem Grat, wo der Bergführer und sein Gast noch immer am Werkeln waren.

Und hinter den Vieren standen nun wir, erst die Mini-Seilschaft Uwe und Krümel, dann Yak, ich und Ralle und schliesslich die 5 Anderen. Und da standen wir. Und standen. Und um uns herum wehte ein eisiger Wind scharfe kleine Eiskristalle herum. Wir froren, aber da vorn ging nichts voran.

Ralle und Uwe meinten, man könne sich doch über das steile Eis auf den Gletscher abseilen, das waren etwa 40 Meter. Die Idee fand Anklang und so machte sich Uwe daran, einen Stand im harten Eis zu bauen. Inzwischen hatte es der Bergführer mit seinem Gast aber über die Blankeis-Stelle geschafft. Die Vierer-Seilschaft vor uns krabbelte wie der Bergführer auf der steilen Seite hinterher, schenkten sich aber die Sicherung und waren schnell drüben.

Uwe war zwar inzwischen fertig mit seinem Stand, aber 10 Leute abseilen dauert dann doch ein ganzes Stück länger als 50 Meter eisigen Grat zurück zu legen. Yak, ich und Ralle überholten Uwe und Krümel, die in aller Eile den Stand wieder abbauten. Wir versuchten zunächst die Bergführer-Methode auf der steilen Seite mit dem Schnee, aber der Schnee war so grundlos, dass wir das bald wieder aufgaben und genau das machten, was wir von Anfang an hätten tun sollen. Vorsichtig über die super-schmale Schneide des Eisgrats balancieren. Jede Methode an diesem Grat, die keine Sicherungen beeinhaltete, war riskant, aber Drüberlaufen war wenigstens schnell. Inzwischen waren wir von dem eisigen Winde und dem fliegenden Eis/Schnee völlig durchgefroren.

Krümel, Uwe, Yak, Ralle und ich stiegen so schnell wie möglich weiter ab, während die anderen auf dem Grat noch eine ganze Weile brauchten. Wir stiegen zu Fuss weiter ab, um keine Zeit mit Skianschnallen im eisigen Wind zu verlieren. Mir war dabei nicht ganz wohl, denn mit Skiern verteilt man sein Gewicht ja über eine relativ grosse Fläche und ist relativ schnell während man zu Fuss langsam ist und das gesamte Gewicht auf eine winzigen Fläche drückt. Und wir mussten den grossen Bruch unterhalb des Castors queren. Aber in einer Seilschaft kann man nicht immer wie man will, keiner wollte Zeit für’s Skianziehen spendieren.

Auf der anderen Seite des Bruchs galt es nun noch, wieder zum Felik-Joch aufzusteigen. Da bestand ich darauf, dies mit Skiern zu tun, denn es ist eine Sache ständig im Schnee einbrechend irgendwo runter zu laufen. Wenn es aber rauf geht, auch wenn es nur wenige Meter über flaches Gelände ist, da sieht die Sache schon ganz anders aus. Die paar Minuten Fell-Aufziehen mit nackten Händen reichten aus, meine Finger weiss anlaufen und steif werden zu lassen. Ich machte mir kurzzeitig wirklich Sorgen über Erfrierungen, aber mein zuverlässig arbeitender Kreislauf brachte die Finger sofort wieder auf Betriebstemperatur, als ich die Handschuhe wieder anzog.

Die anderen waren inzwischen ebenfalls im Abstieg, aber wir verschwendeten keine Zeit im eisigen Wind, sondern stiegen umgehend zum Joch auf (Krümel und Uwe sofort weit voraus), um endlich zur Capanna Quintino Sella zu kommen. Inzwischen hatte der Spass entschieden ein Loch, uns war einfach nur noch kalt.

Am Joch entpuppte sich der erste Teil der Abfahrt zur Hütte als steil und eisig. Yak packte kommentarlos seine Ski wieder an den Rucksack und stieg zu Fuss ab. Ralle und ich fuhren mit den Skiern ab, Krümel und Uwe waren bereits fast unten an der Hütte. Was auf den ersten Blick wie schöner Schnee aussah, war oben leider büchiger Harsch, wurde unten aber besser.

Wir warteten auf Yak, bis der seine Ski im flacheren Teil wieder unter die Füsse schnallte und fuhren dann etappenweise zur Hütte ab. Ganz unten, wo es so aussah, als müssen man am Ende laufen, wenn man die Ski vor der Hütte nicht laufen liess, liessen wir ihn dann doch allein und sausten hinüber zur Hütte, wo wir gerade recht zum Abendessen ankamen.

Krümel - des Italienischen mächtig - hatte bereits alles organisiert. Wir hatten zwei Tische zugewiesen bekommen und man würde mit unserem Abendessen so lang warten, bis alle von unserer Gruppe angekommen waren, was etwa eine Dreiviertelstunde später dann endlich der Fall war. Leider war das Abendmenü dann zum Teil schon weg, wir bekamen Brot statt Kartoffeln zum Fleisch mit Bohnen und beim Nachtisch konnten wir den Schokokuchen der anderen über unseren Dosenobstsalat nur neidisch begucken. Genau genommen machte das aber gar nichts aus, wir waren alle ganz einfach nur froh, endlich im Warmen zu sitzen.

Und nach zwei Litern heissem Tee konnte man dann über das Eisabenteuer am Grat schon wieder lachen. Und grosse Reden schwingen sowieso ;-)

Von engel am 20.05.2008 06:21 • diaryurlaubwallis2008outdoorski
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