(Spruch von Melody ausgeliehen, passt hier grad)

Der Mann mit der Zahl als Namen nimmt in den Kommentaren an, ich sei mal an der TU gewesen. Nein, war ich nie. Naja, ich war doch, an der TU München. Ein einziges Mal, mit dem Mathe-LK. Das war so abschreckend für so ein armes Mädel vom Land, dass ich auf der Stelle beschloss, da nie und nimmer hinzuwollen, geschweige denn zu gehen.

Wir besuchten einen Mathe-Grundkurs (logisch, war ja mit dem Mathe-LK) und setzten uns in die letzte Reihe ganz oben. Es war sehr leer da oben. Der Stoff war nicht allzu schwierig, Dinge die wir schon vor einer Weile gelernt hatten, aber das Drumrum!

Der Hörsaal war genau das: ein Saal. Gefühlte 100 Meter unter uns, etwa einen Kilometer entfernt, sauste der Professor vor 8 Tafeln hin und her und rechnete irgendwas vor. Man hätte ein Fernglas gebraucht, um lesen zu können, was er schrieb (deswegen war es da hinten wohl so leer). Er sprach zwar in ein Mikrofon, aber damals gab es noch nicht diese netten Ansteck-Teile (oder er hatte keines), so dass er die Hand mit dem Mikro immer wieder mal für was anderes brauchte - zum Tafeln rumschieben beispielsweise. Das führte dazu, dass er in einer Art akustischen Welle zu hören war, mal laut und verständlich, mal leise und unverständlich.

Unser Lehrer sass versunken am Ende der Reihe, vermutlich verloren in schöner Erinnerung an seine Studenten-Zeit. Irgendwann aber merkte er doch, dass das Getuschel und Gelächter um ihn rum immer lauter wurde und wir verliessen den Hörsaal. Der Rest des München-Ausflugs war so nett wie alle schulischen München-Ausflüge immer waren. Es ist immer toll, wenn die Kids aus der Provinz in die grosse Stadt dürfen.

Der Besuch hat mich geprägt. Die Vorstellung da mal hin zu müssen war so gruselig (naja, ich war 17 oder so), dass ich mir überhaupt keine Gedanken mehr machte, was ich überhaupt hätte studieren wollen - ich hab einfach das genommen, was es an der FH bei uns gab. Die Auswahl war nicht gross: BWL, Maschinenbau, Elektrotechnik. BWL fand (und finde) ich todlangweilig, Maschinenbauer ist mein Dad (der ist ein toller Papa, keine Frage, aber er kann auch sehr anstrengend sein ;-)), also blieb nur Elektrotechnik. Man soll sich nie von was abhalten lassen nur weil man nicht die geringste Ahnung davon hat ;-)

Unsere kleine FH war genau richtig für mich. Überschaubar und keineswegs beängstigend. Wir waren anfangs zwar auch sehr viele (rund 120), aber das reduzierte sich nach dem Vordiplom schlagartig. Da blieben nur knapp 40 übrig, eine grosse Klasse sozusagen.

Mit dem neusprachlichen Hintergrund vom Gymnasium war ich in manchen Fächern ein wenig angeschmiert, weil zwar jedes Fach bei den Grundlagen anfängt, die aber im TGV-Tempo durchgehechelt werden. Physik beispielsweise war bald extrem schwierig. Technisch Zeichnen dagegen klappte prima - dem Kunst-LK sei Dank ;-) Ich hab zwar bis heute keine Ahnung wie man eine Ellipse konstruiert, aber ich kann sowas ganz toll mit der freien Hand malen. Ich hab deswegen sogar mal einen ordentlichen Rüffel eingesteckt, denn 'Skizzen zeichnet man mit der Hand!' Hab ich ja, aber kann ich was dafür, dass ich Striche auch ohne Lineal malen kann?

Gegenüber meinen Komilitonen war ich auch in anderer Hinsicht etwas im Hintertreffen. Die hatten sich nämlich zum grössten Teil für Elektrotechnik entschieden, weil sie bereits eine Elektriker-Lehre hinter sich hatten oder weil sie sich eben dafür interessierten. Ich hatte Elektrotechnik ja nur genommen, weil es das Erstbeste war, was mir über den Weg gelaufen war. Hauptziel: nicht arbeiten.

Ich stellte aber schnell fest, dass das alles sehr sehr interessant und eine echte Herausforderung war (was man vom Abi nicht wirklich behaupten konnte, vom Kolloquium in Deutsch mal abgesehen) und holte folglich schnell auf. In den theoretischen Disziplinen half ich den Jungs manchmal aus, die halfen mir dafür hin und wieder bei den praktischen Fächern. Ich musste auch nienienie einen der Thyristor-Schaltkreise (das Zeug schaltet Starkstom, wir hatten im Labor einen 380kV-Anschluss *schüttel*) einschalten :-) Wenn man da was falsch macht, dann knallt es beeindruckend und alles wird schlagartig dunkel. Das ist aber nur ein einziges Mal passiert - nicht mit meinem Schaltkreis übrigens.

So beschaulich so eine kleine FH ist, so unbequem ist sie auch. Bei 40 Leuten dauert es nicht lang, bis die Dozenten jeden kennen. Wenn nur 2 Frauen unter 40 Leuten sind, dann fällt schon ab der zweiten Vorlesung auf, wenn eine davon fehlt. Später war ich sogar die einzige und wurde in jeder Vorlesung namentlich begrüsst.

Unmuts-Äusserungen meinerseits wurden auch immer sehr ernst genommen, meine Komilitonen hatten es da schon um einiges schwerer. Unsere 'Hörsääle' waren eigentlich umfunktionierte Büro-Räume und hatten daher keine Tafeln. Die Dozenten schrieben also auf Overhead-Projektor-Folien, auf der Sorte, die über den Projektor hinweg aufgerollt wird. Einer der Dozenten hatte sowohl eine Sauklaue als auch die Angewohnheit sehr viel und sehr schnell zu schreiben. Zu allem Überfluss schrieb er immer auf der oberen Hälfte der Folie und rollte das Geschriebene ruckzuck aus dem Lichtfenster raus. Höfliches Bitten half nur eine begrenzte Zeit lang, so dass wir früher oder später wieder alle nicht mit dem Mitschreiben nachkamen. Eines Tages entwich mir ein reichlich gereizter Seufzer, der - weil der Dozent zufällig eine Pause gemacht hatte und alle unglaublich ruhig waren - durch das Zimmer hallte wie ein Donnerschlag. Ui, war das peinlich! Aber es wirkte. Der Dozent war fortan darauf bedacht, uns Zeit zum Mitschreiben zu lassen.

So, Kinder, die Märchenstunde für heute ist zuende. Wenn ihr brav seid, dann erzähl ich ein Andermal weiter.
Interessiert das überhaupt jemanden?