Wieder ein Tag zum gemütlich Ausschlafen, was bei mir wieder nicht so recht klappen wollte. Statt Rumliegen entschied ich mich dann doch zum Kaffeekochen und Spülen (also erst Kaffee, dann Spülen). Bald gesellte sich auch die Sonne zu mir, was die Angelegenheit dann entschieden angenehmer machte.
Nach einem ausgedehnten Frühstück packten wir zusammen und machten uns auf den Rückweg zur Grenzstation, wo als nächstes die komplizierte Angegelegenheit des Wieder-Organisierens unseres Permits stand. Natürlich war keiner der Beamten anwesend, mit denen wir die Rückgabe des Permits ausgehandelt hatten und natürlich sprach wieder keiner Englisch. Immerhin konnten wir uns aber zurückmelden, so dass niemand einen Suchtrupp losschicken würde.
Dann erklärten wir langwierig, dass wir das Permit wegen der anderen noch zu besteigenden Vulkane unbedingt wieder bräuchten und schliesslich kam das auch an. Das Permit wurde per Fax-Maschine kopiert und wir bekamen das leicht zerknittertete Orginal ausgehändigt. Wir erklärten dann, dass wir uns nun auf den Weg zum Parinacota machen würden und dass wir uns da aber nach 3 Tagen nicht zurück melden würden, weil wir direkt weiter fahren würden. Das wurde akzeptiert und wir konnten weiter.
Am Zeltplatz füllten wir die Wasser-Vorräte auf, dann übernahmen wieder Ralle und ich die Führung. Ralle fuhr, ich gab die Richtung anhand der ungenauen Karte und des Google-Earth-Tracks an. Den Parinacota konnten wir wunderbar über der Laguna Chungara sehen, aber der Weg dorthin war kompliziert.
Schon bei der Abzweigung von der Hauptstrasse (wenige Kilometer hinter dem Zeltplatz) gab es zwei Pisten, aber nur eine eingezeichnete Strasse. Beide hätten zum Track gepasst, der natürlich nur sehr grob die tatsächliche Strasse abbilden konnte. Prompt nahmen wir schon hier die falsche Piste und mussten umkehren.
Danach ging es einfacher weiter, zumindest was die Navigation anging. Das Fahren selber wurde schwieriger, da die Piste teilweise sehr schlecht war (zwischendurch aber durchaus auch ganz OK). An der nächsten Weggabelung nahm ich den rechten Weg, wurde aber schnell unsicher, da wir zwar der Karte nach korrekt fuhren, dem GPS nach aber immer knapp daneben lagen. Allerdings war Umdrehen auf der schmalen Piste, die sich gerade entlang vieler Lavahügel durch noch viel mehr Lavahügel (der Parinacota war inzwischen nicht mehr zu sehen) schlängelte, eh keine Option, so dass ich Ralle einfach fahren liess.
Wir kamen an einen Ausläufer der Laguna Chungara, an dem die Piste sandig wurde und dicht am Wasser entlang führte. Zu allem Überfluss lag in der Mitte des sandigen Stücks ein dicker Holzbalken quer über der Fahrbahn, so dass Ralle anhalten musste, um mich den Balken von der Piste schleppen zu lassen. Mit der allergrössten Mühe schafften wir es dann gerade so, wieder anzufahren, sonst hätten wir das Abschleppseil tatsächlich gebraucht. Claudine und Yak kamen ohne Anhalten problemlos über die Sandstelle.
Da wir inzwischen schon einige Male eine trocken gefallene Wasserleitung gequert, bzw. daran entlang gefahren waren, war mir inzwischen klar, dass mein toller Google-Earth-Track nicht die Piste, sondern die Wasserleitung abbildete. Im Nachhinein kein Wunder, denn die Wasserleitung war immer sehr deutlich zu erkennen, die Piste dagegen nur schwer.
Da auf der Karte aber beides eingezeichnet war (auch eine Erkenntnis im Nachhinein, ich hatte mich schon gewundert, warum es da zwei Pisten geben sollte), schaffte ich es mit einer Portion Glück, in dem Pistengewirr der Moränen-Hügel tatsächlich immer eine Piste zu erwischen, die uns weiter brachte. Vermutlich war es nicht immer die beste oder die kürzeste Piste, aber immerhin nie eine, die einfach nur aufhörte.
Gelegentlich hatten wir Hindernisse zu überwinden, bei denen mir nicht ganz wohl war. Yak blieb da immer ein Stück hinter und und beobachtete erst mal, ob wir stecken blieben. Wir kamen aber immer durch. Über den Riesenfelsen mitten in der Piste, entlang der sehr schrägen halb abgerutschen Sandpiste und schliesslich über die behelfsmässige überbrückte Wasserleitung. Letztere sah sehr schwierig aus, war aber eigentlich einfach zu fahren, wenn man den richtigen Weg traf.
Danach sahen wir ihn dann vor uns, den Parinacota :-) Wir mussten nur noch die lange flache Steigung bis zum Hochlager hinauf fahren, an dem wir einen weissen Jeep sehen konnten.
Diese lange schiefe Ebene hatte es dann aber in sich. Sie besteht komplett aus Vulkanasche (was sonst?), gröbere Brocken auf feinem Sand. Die 'Piste', inzwischen nur noch 2 Reifenspuren, war dadurch erkennbar, dass die grösseren Brocken auf der Seite lagen und nur noch die feine dunkle Vulkanasche zu sehen war. Je höher wir kamen, umso steiler wurde es, bis unser X-Trail kaum mehr weiter kam. Genau dort machte die Piste einen weiten Bogen nach links und weiter oben nach rechts, so dass wir zuversichtlich waren, auch dieses Stück hinter uns bringen zu können.
Grosser Irrtum. Direkt in der Kurve driftete unser X-Trail immer weiter zur Talseite ab und drehte schliesslich durch. Als ich Claudine und Yak das per Funkgerät durchgab und meinte, sie sollten nicht weiter fahren, um sich nicht auch einzugraben, meinte Claudine, das sei bereits zu spät, sie steckten ebenfalls schon fest. Ralle versuchte mit Vor- und Zurückfahren wieder auf die 'Piste' zurück zu kommen, doch der Wagen rutschte weiter und weiter talwärts.
Wir hielten Kriegsrat. An sich war die Flanke hier nicht allzu steil, mit vereinten Kräften müssten wir zumindest den zweiten X-Trail zurück auf die Piste schieben können. Claudine ist mit Abstand die leichteste und musste fahren, wir anderen schoben kräftig auf der Talseite nach oben. Es war anstrengend (wir waren ja immerhin schon wieder auf gut 5000 Meter), aber es klappte. Kurz drauf stand der zweite X-Trail wieder auf der Piste.
Nun musste unserer, der ja viel weiter abgerutscht war, zurück auf die Spur. Da unser Wagen diese kaputte (oder zumindest stark gewöhnungsedürftige) Kupplung hatte, fuhr diesmal der Ralle. Es kostete um einiges mehr an Kraft und Anstrengung, aber wir konnten auch diesem X-Trail zurück auf die Spur helfen. Wir waren sehr erleichtert.
Ich wäre ja jetzt zurück an den Anfang der grossen Kehre gerollt und hätte weiter unten einen Platz für ein Basis-Lager gesucht, aber Ralle und Yak betrachteten die einigermassen flache Stelle neben der grossen Kehre vor uns und meinten, mit etwas Glück und Unterstützung könnten wir es dahin schaffen. Höher sei besser für das Basis-Lager.
Mit etwas manueller Unterstützung auf der Talseite schafften es die beiden X-Trails dann auch bis zu Kurve und wurden dort in der Schräge geparkt. Die riesigen Steine, die wir unter alle Reifen schoben, um die Wagen nicht später am Fuss des Berges wiederzufinden, waren erstaunlich leicht. Vulkangestein ist seltsames Zeug.
Nach einer kurzen Brotzeit bepackten wir die Herren mit 20 Liter Wasser und sämtlichem Bergzeug (Pickel, Steigeisen, Seil, usw.) und schickten sie hinauf zum eigentlich Basis-Lager und weiter zum noch zu suchenden Hochlager, um am nächsten Tag nicht ganz so schwer beladen zum Hochlager aufsteigen zu müssen. Claudine und ich stellten inzwischen die Zelte auf und begannen mit den Vorbereitungen für das Abendessen.
Zwischendrin kam der weisse Jeep, den wir von unten schon gesehen hatten, die Flanke hinunter. Ich konnte gerade unser Zelt, das halb aufgestellt und noch nicht mit Heringen befestigt war, nicht loslassen, aber Claudine hielt den Wagen an und fing ein Gespräch an. Drin war ein Bergführer und einer der Holländer (vermutlich), die Ralle und ich am ersten Tag bei der Rangerstation am Lago Chungara getroffen hatten.
Der Holländer war nach eigenen Angaben völlig erschöpft (completely knackered) aber glücklich. Den Parinacota hatte er im ersten Anlauf mit seinen Kollegen nicht geschafft und er hatte daher mit einem Führer einen zweiten Anlauf gestartet, wobei sie das Hochlager höher und weiter links gelegt hatten, um am zweiten Tag nur 800 statt 1200 Höhenmeter Aufstieg zu haben. Hmmmm. Wir hatten vermutlich die ganzen 1200 Höhenmeter vor uns.
Unsere Helden der Berge kamen erstaunlich bald wieder den Berg herunter gehüpft und berichteten von dem idealen Hochlagerplatz, den sie ein Stück über dem oberen Basislager gefunden hatten. Das Hochlager war so wenig weit über dem oberen Basislager, dass wir annahmen, dass es öfter Leute gab, deren Autos die Steigung nicht packten.
Wir genossen einen grandiosen Sonnenuntergang bei nahezu keinem Wind und liessen den Tag gemütlich beim Abendessen mit Tee (die Damen) und Bier (die Herren) ausklingen. Morgen Aufstieg ins Hochlager und am nächsten Tag ... So ein bisserl aufgeregt war ich ja schon, denn der Berg über uns sah ganz schön steil und hoch aus, aber das würden wir schon schaffen!