Zwar hatten wir die letzten Stunden der Nacht noch etwas schlafen können, aber als wir zum Frühstück ins Dachgeschoß gingen, waren wir ganz schön gerädert. Gerade verließen zwei Amerikaner den hellen freundlichen Raum und wir waren allein. Das war schon ziemlich seltsam, das Frühstück da oben. Es gab ein Buffet und eine einzelne Dame, die uns fragte, ob wir Eier haben wollten. Sonst waren wir völlig allein.
Wir suchten uns einen angenehm warmen Platz in der Sonne und diskutierten die vergangen Nacht. Es war Samstag, die Fähnchen überspannten noch immer die Straße und wir befürchteten eine Wiederholung des Spektakels. Das Hotel konnten wir nicht wechseln, aber vielleicht ein anderes Zimmer bekommen - abgewandt von der Straße.
Nach dem Frühstück ging ich also an die Rezeption und fragte nach einem Ersatzzimmer wegen des Lärms. Die junge Dame an der Rezeption war sehr verständnisvoll und mitleidig, hatte aber nicht wirklich was anzubieten. Sie gab mir 5 Zimmerschlüssel und wir beschauten uns die Zimmer, die alle nicht besser waren oder lagen als unseres. Die an der viel schmaleren Seitenstraße würden genauso laut sein und zusätzlich noch Echos werfen, das in der Mitte des Hotels hatte kein einziges Fenster und alle waren viel kleiner, was mit unseren immensen Gepäckmengen ein Problem sein würde. Ich gab alle Schlüssel wieder ab und wir blieben, wo wir waren.
Inzwischen war unsere Führerin für La Paz, Gladys, angekommen und ich bat sie noch etwas zu warten, weil wir noch mit den Zimmern beschäftigt waren. Eine knappe Viertelstunde zu spät waren wir dann bereit. Gladys hatte ein Taxi samt Fahrer dabei und wir wurden zunächst quer durch die ganze Stadt hinab bis zum 'Valle de la Luna' gefahren. Auf der Fahrt erzählte uns Gladys allerlei über La Paz, Einwohner, Lage, usw.
Nach etwa einer halben Stunde wurden wir am Valle de la Luna abgesetzt, das laut Gladys so heißt, weil Neil Armstrong, der Astronaut, es mal besuchte und dabei feststellte, dass es da aussehe wie auf dem Mond. Das ist eine sehr nette Geschichte :-)
Wir spazierten gemütlich durch die absonderlichen Sandsteinformationen und schauten uns alles gründlich an. Gladys fragte ein paar Mal nach, ob es uns gut gehe, bis wir erklärten, dass wir schon akklimatisiert seien, weil wir in Peru schon in der Höhe waren. Der Spaziergang auf dem netten Weg trug sehr zu unserer Erholung bei und wir fühlten uns bald erholter und auch wieder 'urlaubiger' :-)
Der nächste Stopp unserer Stadtbesichtigung war das Ende der 'Green Line' der Stadt-Seilbahnen von la Paz. La Paz wird seit einigen Jahren von Seilbahnen erschlossen. Gladys erzählte, dass zwar die Kleinbusse günstiger seien als die Seilbahnen (1 Boliviano vs. 3 Bolivianos), dafür seien die Seilbahnen viel zuverlässiger. Klar, die bleiben nie im Stau stecken.
Wir schwebten gemütlich vom unteren Rand von la Paz Richtung Stadtmitte und schauten auf die Villen unter uns drauf und betrachten die immensen Ausmaße der Stadt. Die Besitzer der Villen im reichen Teil der Stadt sind bestimmt nicht begeistert von der Seilbahn und dass ihnen jetzt Hinz und Kunz auf den Kopf gucken kann.
An der gemeinsamen Station der Grünen und der Gelben Linie stiegen wir wieder aus und wurden von unserem Fahrer abgeholt. Als nächstes führen wir einen steilen Berg hinauf zu einem Aussichtspunkt von dem man einen tollen Blick über La Paz hat. Dieser Überblick war schon ziemlich beeindruckend.
Danach fuhren wir hinab zur Plaza Murillo, dem Hauptplatz von La Paz, wo auch die Regierungsgebäude stehen. Hinter den schönen kolonialen Gebäuden rund um die Plaza entsteht gerade ein ziemlich unpassendes Hochhaus. Gladys meinte, das Gebäude sei sehr umstritten, aber es zeige halt auch, wie Bolivien versucht, das Alte mit dem Modernen zu verbinden.
Während Ralle viele Fotos machte, unterhielt ich mich ausgiebig mit Gladys, die sich viel Mühe gab, alle Besonderheiten Boliviens zu erklären. Immer ging es darum, das Alte mit dem Modernen zu verbinden, also beispielsweise die alten Indígena-Traditionen beizubehalten und trotzdem mit dem Rest der Welt mitzuhalten. Deswegen sieht man auf den Straßen Boliviens so viele traditionell gekleidete Indígena-Frauen und deswegen haben die Natur-Religionen einen sehr hohen Status. Und deswegen gibt es neben der bolivianischen Fahne eine 'Traum'-Fahne, in der Boliviens Wunsch nach der Zurückgewinnung des Zugangs zum Meer festgehalten ist, den Bolivien im Salpeterkrieg an Chile verloren hat. Insgesamt sind die Bolivianer deutlich schwerer zu verstehen als die Peruaner, scheint mir.
Das zeigte sich dann beim nächsten Stopp ganz deutlich. Wir fuhren noch ein kleines Stück von der Plaza Murillo Richtung Touri-Stadtzentrum und wurden von Gladys als erstes in einen Schamanen-Shop geführt. Wichtigstes Kennzeichen eines solchen Shops: Getrocknete Lama-Föten in allen erdenklichen Stadien allüberall. Das ist im ersten Moment ein wenig seltsam, aber bei der Menge der Föten geht das ganz schnell wieder vorbei.
Lama-Föten spielen eine sehr wichtige Rolle bei allen Zeremonien (ich stelle mir das ähnlich vor wie auf dem Cerro Atoja, nur mit mehr Schamanismus und weniger Katholizismus). Zudem gibt es noch unendlich viele Kräuter, Statuetten, Konfetti, Pulver, Alkohol, Süßigkeiten, Figürchen und vieles mehr, was bei einer Zeremonie gebraucht wird. Zeremonien kann man für alles abhalten, man kann sich Geld, Liebe, Erfolg und was man sonst so braucht wünschen und muss dann halt die Zutaten entsprechend zusammenstellen. Und auch hier: Kreuze als 'Zutaten' zu einer Zeremonie scheinen ganz normal.
Wir gingen in 2 solche Schamanen-Läden und ließen uns von Gladys und den Betreiberinnen alles Mögliche zeigen und erklären und waren sehr beeindruckt. Ralle kaufte eine Jaguar-Statue die sehr schön und fremd aussieht und für Erfolg steht (glaube ich, das war alles sehr viel auf einmal und verwirrend). Sie steht inzwischen bei uns im Wohnzimmer.
Danach schlenderten wir noch durch die Calle de Linares, die Touri-Einkaufstraße in La Paz und wurden dann von Gladys im Hotel abgeliefert, das da direkt ums Eck liegt. Damit war der offizielle Teil vorbei und wir hatten den Rest des Tages für uns.
Wir begannen die freie Zeit mit einem ausgiebigen Besuch in der Pizzeria und kauften dann nochmal Getränke nach. Danach schlenderten wir durch all die angrenzenden Straßen, gingen in viele Läden, kauften hier und da etwas, bestaunten nochmal die vielen, vielen Schamanenläden und betrachteten am späten Nachmittag besorgt die Fähnchenreihen über der Straße vor dem Hotel.
Vor dem Abendessen packten wir schon mal um, auch wenn wir am nächsten Tag erst gegen Mittag abgeholt werden sollten und duschten ausgiebig. Unten wurden inzwischen Stände und Stühle aufgebaut und es begann ein Folklore-Festival. Verkleidete Folkloregruppen mit Orchester - alle mit einem Auto, manchmal ein LKW, vorne weg, von dem zusätzlicher Lärm, also Musik, kam - tanzten unsere lange Straße entlang. Direkt vor dem Hotel, wo die Bühne aufgebaut war, tanzten sie eine Weile auf der Stelle, vermutlich um sich von der Jury auf der Bühne bewerten zu lassen, und machten meistens noch etwas Feuerwerk. Wir schauten von oben zu - es war durchaus interessant - und machten uns Sorgen.
Als es dunkel wurde, gingen wir wieder Pizza essen und liefen nochmal durch die Einkaufsstraßen und zwischen den Folklore-Gruppen hindurch. Auf den Straßen hatten inzwischen an jedem freien Plätzchen Essenstände aufgemacht und es wurde überall Bier verkauft. Später schauten wir von oben weiter zu. Die Gruppen, die da angetanzt kamen, nahmen kein Ende.
Auch diese Nacht war sehr sehr laut, sehr sehr lang und sehr sehr nervig.