Für die längste Tour des Urlaubs brauchten wir einen frühen Start. Ich stand um 5 Uhr auf, der beste Allgäuer kurz danach (er braucht in der Früh ein bisserl mehr Zeit als ich), und wir frühstückten im Dunklen, begleitet vom Vollmond. Zuerst jedenfalls.
Beim Campen dauert ja alles immer etwas länger, aber kurz vor 7 waren wir fertig für den höchsten Berg der Insel.
Nach Lozzi, wo die Tour eigentlich beginnt, sind es nur knapp 4 Kilometer und 200 Höhenmeter. Da lohnt es sich kaum, alles ins Auto zu packen und nach 10 Minuten wieder raus zu zerren, deswegen starteten wir wieder direkt am Campingplatz. Die Straße war schön und gut zu radeln und es war noch kühl, aber es dauerte doch eine Weile, bis wir bei den beiden Campingplätzen am Start der Piste waren. Dort stand ein sehr interessanter alter Bus :-)
Die Piste, die dort anfängt, geht (in weitgehend mäßiger Steigung) in weiten Kehren gute 500 Höhenmeter zum Monte Cinto hinauf. Bis auf das letzte Stück, wo es steiler und ruppiger wird, ist sie sehr gut zu radeln. Man trifft immer wieder auf frei laufende Kühe, die meisten mit Kälbern. Die Kühe liegen gern im Straßengraben, vermutlich weil es da flacher und bequemer ist. Eine Kuh lag mit blutverschmierten Hinterläufen im Graben und wir waren kurz erschrocken. Aber die stand kurz vor der Geburt, am Rückweg stand ein Kälbchen neben ihr.
Auf der Kompasskarte ist die radelbare Strecke bis zum Refuge de l'Erco eingezeichnet, aber es war schon am kleinen Parkplatz am Ende der Piste klar, dass das nicht geht. Wir stellten die Räder zu den 4 anderen Rädern dort und gingen zu Fuß weiter. Die Strecke zum Refuge ist aber auch für Cracks sicherlich keine Freude zum Radeln. Erst geht es sehr steil hoch, dann kommt ein schönes Flachstück und dann schlängelt man sich durch verbuschte Bachläufe und quert glatt geschliffene Felsen. Das Refuge ist nur ein kleines Hüttchen (ist aber ein GR20 Campingplatz mit Waschhäuschen) und man kann nicht einkehren.
Der steile Aufstieg durch das Ginster- und Buschgelände und über die Geröllfelder ist dann eher unerfreulich. Steil, unwegsam und heiß, genauso so hatte das am Vortag von der Bocca a Croce aus ausgesehen. Dass man den Weg von dort nicht sehen konnte, ist auch kein Wunder, man muss sich immer wieder mal durch Büsche winden. Der Aufstieg ist mit Steinmännern gekennzeichnet, die geben aber eher die grobe Richtung vor als den tatsächlichen Weg. Viele Pfade führen zum Monte Cinto ;-)
Wenn man dann endlich in die Felsen kommt, wird der Weg schon erfreulicher. Geröllig, steil und heiß ist es da immer noch, aber die Gegend ist ausnehmend interessant und dass der Aufstieg immer wieder kraxelig ist, macht Freude. Der Aufstieg sei 'spärlich gekennzeichnet' steht im Führer und da kann man nur zustimmen. Zwar hat es unzählige Steinmännchen, die unzählige Wege weisen (immerhin zeigen alle so in etwa in dieselbe Richtung), aber tatsächliche Schilder hat es nur 3.
Das macht alles echt Freude, aber es ist unglaublich lang, bis man oben ankommt. Wegsuche braucht Zeit, Umstellen auf Kraxeln und zurück braucht Zeit, Rinnen wechseln braucht Zeit und man sieht ständig irgendwas, was aussieht wie 'oben' und sich dann doch als ein kleiner Felszacken entpuppt. Irgendwann war dann aber 'oben' doch endlich da - wir sahen ein Kreuz in der Ferne.
Im weiten Kessel unter dem Gipfel verloren wir kurz den Weg. Oben konnten wir Leute sehen, die von links (dem anderen Aufstieg von Haut-Asco) zum Gipfel aufstiegen und krabbelten halt weglos bis zu deren Weg hoch. Wirklich schwieriges Gelände hat es selten, jedenfalls da oben.
Mit uns kam eine Riesengruppe Tschechen (oder so, Osteuropäer jedenfalls) am Gipfel an und machten da oben Radau und besetzten alles und das war nach dem fast einsamen Aufstieg schon irgendwie nervig. Wir gingen erst mal am Gipfel vorbei zum einem der Nebengipfel. Aber die Gruppe ging relativ bald wieder und dann waren wir doch ganz allein da oben auf dem Dach Korsikas :-) Hach!
Wir blieben aber nicht lang, denn es war schon ganz schön spät. Der Aufstieg hatte fast 8 Stunden gedauert, mit Radeln, Pausen und allem. Der Abstieg würde wegen des nicht ganz einfachen Geländes dann auch Zeit brauchen. Ich lieh mir vom besten Allgäuer einen langärmeligen Pulli, denn ich hatte das Gefühl, die intensive Sonne verbrenne so langsam meine Arme.
Der Abstieg war wie erwartet langwierig, aber nicht schwierig. Wir mussten natürlich bei der Wegsuche aufpassen und stiegen zwischendrin auch mal durch eine andere Rinne ab, als wir hochgekommen waren, aber wir kamen ohne Probleme im Buschwald/Geröll-Gelände an. Ab da war der Abstieg so nervig wie der Aufstieg, weil die ganzen losen Steine dort ständig wegrollten und man aufpassen musste wie sonstwas.
Kurz vor dem Refuge de l'Erco trat ich mit links auf einen größeren flachen Stein, der sofort umkippte und mir mit Karacho ans rechte Schienbein knallte. Ich bin ja reaktionsmäßig eher eine Schlaftablette, schaffte es aber, sofort abzuspringen und nebendran auf einem anderen Stein zu landen, ohne umzuknicken oder das Knie zu verdrehen oder so was Blödes (ich bin sehr stolz auf mich!). Und dann dachte ich kurz, ich hätte mir das Schienbein gebrochen.
Als der Schmerz nachgelassen hatte, humpelte ich (erst mal sehr langsam) dem besten Allgäuer hinterher, der das natürlich gar nicht erst mitbekommen hatte. Am Refuge machten wir Pause, da hatte ich schon eine dicke Beule am Schienbein (blau war es noch nicht, das kam später).
Der Weg zu den Bikes war dann kurz nervig, denn da ging es noch mal bergauf! Aber dann: die besten beiden Bikes von Welt warteten auf uns und darauf, unsere armen Füße zu entlasten :-)
Die Abfahrt war dann sehr schön. Wir rollten gemütlich durch fast schon kühle Luft den weiten Kehren der Straße nach nach unten, wichen den gröbsten Unebenheiten aus (runterwärts war die Piste doch ruppiger als gedacht) und wechselten halt in jeder Kurve einmal das gestreckte Bein. In Lozzi wurde es dann noch gemütlicher, da war dann auf der Teerstraße auch noch das Gehoppel weg. Dort hat es übrigens ein Haus mit einem absolut großartigen (und großen) Steinbockgemälde.
In Calacuccia hatte sogar der Bäcker noch auf und wir konnten für Abendessen und Frühstück einkaufen. Dann Campingplatz, Duschen, Abendessen und Bier :-)
2055 Höhenmeter, 31 Kilometer, 13 Stunden.