EngelChronik 2022 - Korsika

Paglia Orba

18.06.2022

Für die zweitlängste Tour des Urlaubs starteten wir nicht ganz so früh wie für den Monte Cinto. Beim Frühstück hatte es schon Licht. Nach Frühstück und Rucksack-Packen ließen wir die Bikes abgesperrt im Séparée (der Hinterreifen an meinem Ghost schien die Luft zu halten :-)) und fuhren mit dem Kangoo bis fast zum Col de Verghio hinauf.

Frühstücksgast (Buchfink)
Frühstücksgast (Buchfink)

Am Fer à Cheval standen schon ein paar Autos, aber am Parkplatz war noch gut Platz. Der Weg zur Paglia Orba führt auf einem breiten Weg bis zur Bergerie a Radule durch angenehm temperierten Wald. Danach wird der Wald lichter und es geht steiler bergauf, da wurde es dann schnell warm (OK, heiß!). Es war ganz schön viel los für eine doch anspruchsvolle Tour, aber der Weg bis zum Refuge Ciottulu di i Mori ist auch Teil des GR20.

Start am Fer à Cheval
Start am Fer à Cheval

Bei der Bergerie a Radule
Bei der Bergerie a Radule

Nach dem kurzen Aufschwung hinter der Bergerie kommt der lange, laaange Weg das Tal des Golo hinter. Der Golo hat viele schöne Gumpen, in denen auch schon Leute badeten. Der beste Allgäuer plante einen Badestopp für den Rückweg ein, wir gingen trotz Einladung von ein paar Jungs erst mal weiter. Nach dem Flachstück biegt der GR20 nach links ab und macht einen Bogen, wir gingen geradeaus über die Bergerie de Tula direkt zum Refuge hoch. Das ist steiler und anstrengender, aber weniger Weg.

Brücke über den Golo
Brücke über den Golo

Im langen Golo-Tal, die Paglia Orba breit und blockig hinten
Im langen Golo-Tal, die Paglia Orba breit und blockig hinten

Anstieg zum Refuge Ciottulu di i Mori
Anstieg zum Refuge Ciottulu di i Mori

Das Refuge war brechend voll und hinten in der Senke standen viel Zelte. Da dieses Jahr so wenig Schnee in den hohen Bergen lag, war der GR20 anscheinend sehr gut besucht. Wir ließen das Refuge rechts liegen und stiegen zum Col des Maures auf, der direkt vor uns lag. Vor 8 Jahren waren wir hier im Schnee nach rechts gegangen, diesmal stiegen wir den ganzen anderen Leuten nach (naja, wir sahen 2) und bogen erst kurz unter dem Col auf den Grat ein.

Col des Maures mit dem ersten Teil des Grats zur Paglia Orba
Col des Maures mit dem ersten Teil des Grats zur Paglia Orba

Irgendwo am Grat
Irgendwo am Grat

Wegsuche durch viel Bruch
Wegsuche durch viel Bruch

Die Wegfindung am breiten Grat war trotz der vielen Steinmännchen nicht einfach, aber mit ein paar Versteigern und viel Kletterei (bis II) kamen wir an die Rinne, an der wir damals umgedreht waren. Schnee lag keiner, aber das war trotzdem die Schlüsselstelle des Grates. Mit viel Reibung und wenig Halt für die Hände musste man einen einigermaßen ausgesetzten Block hinauf. Das ging ganz gut, aber ich konnte die beiden jungen Leute durchaus verstehen, denen das zu heikel war.

In einer der Rinnen am Grat
In einer der Rinnen am Grat

Kurz vor der Schlüsselstelle
Kurz vor der Schlüsselstelle

In der Schlüsselstelle
In der Schlüsselstelle

Das Navi konsultieren hilft nur bedingt ...
Das Navi konsultieren hilft nur bedingt ...

.. Steinmänner schon mehr
.. Steinmänner schon mehr

Danach hatte ich eigentlich erwartet, 'oben' (wenn auch noch weit vom Gipfel entfernt) zu sein. Fehlannahme, es ging noch locker 100 Höhenmeter am Grat weiter hinauf. Die Schwierigkeiten waren allerdings im Großen und Ganzen vorbei. Danach kam noch der Abstieg in die Scharte (die ich vergessen hatte und deswegen nervig fand), dann konnten wir nahezu geradeaus zum Gipfel rüber gehen. Rechts unten suchte eine Gruppe einen Zwischenabstieg, den wir auch schon auf dem Navi entdeckt hatten.

Auf dem breiten Rücken zum (vollen) Gipfel
Auf dem breiten Rücken zum (vollen) Gipfel

Der Gipfel war von derselben (vermutlich) tschechischen Gruppe besetzt, die wir schon am Monte Cinto getroffen hatten! Wie dort blieb die Gruppe nicht lang, deswegen konnten wir uns den Gipfel bald mit 2 jungen Franzosen teilen. Allerdings ließen die Tschechen eine tschechische Flagge am Gipfel zurück, was ich echt doof fand. Der Ralle verbot mir aber, sie zu entfernen, weil die Tschechen noch in Sichtweite waren und das möglicherweise als Affront betrachtet hätte. Hmm, ja, vielleicht, weiß man ja nie.

Dann aber doch: Allein auf der Paglia Orba
Dann aber doch: Allein auf der Paglia Orba

Mit blöder Flagge leider
Mit blöder Flagge leider

Wir diskutierten kurz und entschieden dann, es mit dem unbekannten und unbeschriebenen Abstieg von der Scharte aus zu versuchen. Mit dem Risiko, umdrehen zu müssen, natürlich (das hätte die eh schon lange Tour unendlich verlängert!).

Abstieg
Abstieg

Dieser Abstieg war dann ein echtes Abenteuer! :-) Wir stiegen erst mal in die Scharte ab und gingen von dort zum ersten Steinmännchen, das wir schon von oben gesehen hatten. Hier sahen wir dann auch eine blaue Markierung und weitere Steinmännchen. Die blauen Markierungen führten uns über verschiedene abzukletternde Absätze (meist I, teils II) nach unten zu einer 20 Meter hohen, nahezu senkrechten, schräg nach links führenden Rinne, die wirklich übel aussah. Reibungskletterei vom Feinsten ohne irgendwas für die Hände und ausgesetzt (unten ging es steil weiter). Hui!

In einem der einfacheren Absätze
In einem der einfacheren Absätze

Ein anderer einfacherer Absatz
Ein anderer einfacherer Absatz

Nochmal ein Absatz
Nochmal ein Absatz

Es hing ein sehr neu aussehendes Seil mit einem sehr neu aussehenden Karabiner an einem neu aussehenden Haken in der Rinne. Ob wir ohne das Seil umgedreht wären, ist schwer zusagen, wir waren ja schon fast unten. So erleichterte es uns jedenfalls die Entscheidung. Wir prüften den Knoten und der Ralle stieg als Erster ab. Eine Hand immer am Seil (einmal rumgewickelt), die andere und die Füße am Fels. Als er unten war, folgte ich.

Dann: die Rinne mit dem Seil
Dann: die Rinne mit dem Seil

Insgesamt war der Abstieg einfacher als angenommen. Die weichen Adidas Trekkingschuhe klebten wie Kletterschuhe am Fels und man konnte auch auf kleinen Absätzen ganz gut stehen. Für die Hände gab es bedauerlich wenig Halt, aber dafür gab es ja das Seil an der rechten Seite. Auch ich kam gut unten an :-) Yay! Was für ein Abenteuer und was für ein toller Abstieg!

Abstieg mit Seil
Abstieg mit Seil

Bis ins Geröllfeld hinab gab es keine weiteren Schwierigkeiten. Dort nahmen wir Stöcke und eierten vorsichtig auf den plattigen Steinen nach unten bis auf den Wanderweg zum Refuge rüber. Das ließen wir aber aus und gingen nach links zur Bocca di Fogglialle und vor dort direkt runter zur Bergerie de Tula. Bevor sich unser Weg wieder mit dem GR20 (und den vielen Leuten) vereinte, nutzte der beste Allgäuer eine der größeren Gumpen, um sich kurz abzukühlen. Nackt, weil wir kein Badezeug dabei hatten. Ich verzichtete.

Rückblick: da sind wir runter gekommen!
Rückblick: da sind wir runter gekommen!

Abstieg über Geröll
Abstieg über Geröll

Bei der Bergerie de Tula
Bei der Bergerie de Tula

Danach folgte der lange Weg durchs Golo-Tal und dann der Abstieg zur Bergerie de Radule. Mit uns (und leider mehr oder weniger gleich schnell) ging die große tschechische Gruppe. Fast nur junge Männer zwischen 20 und 30 und entsprechend erwartbar laut und angeberisch. Ein paar jedenfalls, andere waren schrecklich sonnenverbrannt und echt platt, die taten mir ein bisserl leid.

Das lange Gola-Tal ist geschafft!
Das lange Gola-Tal ist geschafft!

Zwengs einer Pipi-Pause ließen wir sie ein Stück vorangehen und dann waren sie weg, vermutlich an der Bergerie de Radule zum Col de Verghio abgebogen. Unsere Pläne, dort auf ein kühles Getränk einzukehren, scheiterten daran, dass schon keiner mehr da war. Wir tranken halt unser warmes Zeug aus und gingen direkt zum Auto zurück. Dort waren meine Füße sehr, sehr froh, nicht mehr laufen zu müssen. 17 Kilometer, 1450 Höhenmeter, 10 Stunden, das war die längste Tour mit der Prothese bisher!

Zurück beim Auto
Zurück beim Auto

Der Ralle fuhr zurück und wir schafften es sogar noch vor 8 zum Bäcker, um Baguette für Abendessen und Frühstück einzukaufen. Dann Dusche, Abendessen und Bier :-)

Bilder:
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