Geschreibsel

 

Kawa fahren

Du schwingst das Bein über den Sitzbank und setzt Dich rittlings auf die Kawa. Deine Fußpitzen reichen grade eben so auf beiden Seiten des Motorrads auf den Boden. Du lehnst Dich vor, umfaßt mit beiden Händen die Griffe und genießt kurz das Gefühl, auf diesem Motorrad zu sitzen. Einmal atmest Du tief diesen unverwechselbaren Motorradgeruch ein, dann entriegelst Du das Lenkradschloß.

Mit einem großen Ruck hievst Du die schwere Maschine vom Hauptständer und manövrierst sie vorsichtig rückwärts durch den Verhau in der Garage zum Tor hinaus ins Freie.

Der große Moment naht. Du ziehst den Choke voll auf und drehst den Zündschlüssel vollständig herum. Cht-cht-cht-brrooomm! Sie läuft! Du genießt kurz den vollen Klang der vier Zylinder und legst dann den ersten Gang ein. Langsam rollst Du die kleine Straße entlang.

Mit mäßigen Drehzahlen fährst Du die Maschine warm. Der große Motor vibriert sanft mit einem dunklen Grollen und beruhigend gleichmäßig unter Dir. Als Du aus der Stadt heraus bist, wirst Du schneller. Der Motor ist jetzt warm. Die Autos vor Dir stören kaum auf dem Weg zu Deinem Ziel, dem Paß. Kurz Gas geben, ein kleiner Schlenker und das Hindernis liegt hinter Dir.

Du biegst in die kleine Straße ein, die den Paß hinauf führt. Du rollst langsam auf den Berg zu und betrachtest die schmale Paßstraße, die unten erst mal mit einer saftigen Steigung aufwartet, bevor sie weiter oben mit angenehm vielen Kurven nach oben führt. Du kannst die Kurven nicht sehen, aber Du weißt, daß sie dort auf Dich warten.

Am Fuß der Steigung schaltest Du zwei Gänge herunter und drehst das Gas auf. Brrrooaaaarr! Mit einem gewaltigen Schub katapultiert Dich die schwere Maschine die steile Straße hoch. Du hältst Dich am Lenker fest, während Dich der Schub gegen die Sitzbankverlängerung drückt.

Trotz der Steigung mußt Du vor der ersten Kurve heftig in die Eisen steigen, um die Geschwindigkeit dem Kurvenradius anzupassen. Dann legst Du die Maschine in die Kurve. Im Scheitel drehst du das Gas wieder auf, um Geschwindigkeit für die folgenden flacheren Biegungen aufzubauen.

Mit großzügigen Schwingungen legst Du das Motorrad in die knapp aufeinander folgenden Kurven. Links - rechts - links - rechts. Weiter oben werden die Kurvenradien flacher und Du schneller. Du klemmst die Maschine fester zwischen die Schenkel und zwingst die 250 Kilo in die richtige Spur.

Eine Weile kannst Du Dich ungestört dem Kurvenrausch hingeben. Hin und wieder läufst Du auf ein Auto auf. Auf der engen Paßstraße ist es nicht leicht, zu überholen, doch die geballte Kraft der großen Maschine macht auch diese Probleme zu einem Kinderspiel.

Ganz oben werden die Kurven sehr eng. Trotz des großen Gewichts und des langen Radabstandes läßt sich die Maschine spielend sogar durch diese engen Spitzkehren führen. Runterschalten in den ersten Gang - Kurve - Gas geben - Hochschalten - Gas geben - Bremsen - Runterschalten ...

Viel zu schnell hast Du die 1500 Höhenmeter überwunden und näherst Dich mit den letzten flachen Kurven der Paßhöhe. Oben stellst Du die Maschine ab und läßt den Blick über die wunderschönen Berge gleiten. Du legst Dich in's weiche Gras neben der Straße und hörst dem Knacken und Knistern des abkühlenden Motors zu ...

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