Geschreibsel

 

Umweltsünden (?)

Als wir um 7.00h aus dem Haus gehen, wird es grade hell. Anstelle des schönen Wetters, das der Wetterbericht gestern angekündigt hat, können wir nur eine dicke Hochnebeldecke sehen. Wir hoffen, daß wir weiter oben über den Hochnebel kommen. Aber nachdem wir gestern verschlafen haben, gehen wir heute auf jeden Fall auf Skitour!!

Als wir ins Walsertal kommen, lichtet sich der Hochnebel schon und wir können blauen Himmel sehen. Sieht so aus, als ob ein schöner Tag wird! Unseren Ausgangpunkt, das Mahdtalhaus (DAV Sektion Stuttgart) finden wir problemlos. Wir können auch gleich sehen, wo wir hoch müssen - es hat eine deutliche Aufstiegsspur. Obwohl die Sonne inzwischen völlig heraus gekommen ist, ist es klirrend kalt (Ralles Thermometer zeigt -12 Grad an).

Der Aufstieg durch den tief verschneiten Wald ist wunderschön. Die Spur windet sich in Schlangenlinien durch die Bäume. Manchmal müssen wir uns ducken, um unter schneebeladenen Ästen durchzutauchen. Immer wieder bieten sich so schöne Blicke, daß wir die Hälfte unserer Fotos schon hier verschießen.

Nach knapp der Hälfte des Aufstiegs sehen wir drei große Schilder nicht allzu weit vor uns, die an Drahtseilen in gut 10 Metern Höhe im lichten Wald aufgehängt wurden. "Was ist das?", fragen wir uns. Wenige Meter später präsentiert sich die Lösung auf einem kleinen unscheinbaren Holzschild:

"Achtung Absturzgefahr!
'Hölloch'"

Natürlich machen wir sofort Pause - zum Gucken und so. Das Hölloch hat an den beiden kritischsten Stellen Zäune aus groben Balken, vermutlich, damit keine Touristen reinfallen. Ein 80-Meter-Sturz soll meistens recht ungesund sein. Wir steigen natürlich beide über den Zaun und hängen uns weit über das Loch, um nach unten gucken zu können. Leider reicht der Blick nur bis zum völlig eisverkrusteten, gegenüberliegenden Rand des Höllochs. Schade ich hätte gerne mal runter gespuckt.

Ein Foto machen wir auch lieber nicht. Erstens wäre das Bild recht unspektakulär (weil man das Loch ja sowieso nicht sieht), zweitens reicht der eingebaute Miniblitz der Kamera nicht weit genug und drittens besteht bei so einer Aktion ja doch die Gefahr, daß entweder der Foto oder einer von uns abstürzt. Deswegen streichen wir das Vorhaben. Nach unserer Teepause gehen wir weiter. Die Schilder, die wir von unten gesehen haben, schreien in großen Lettern: Lebensgefahr! Klar, von oben ist das Hölloch nicht zu sehen und wenn man erst mal drin ist, ist es zu spät.

Bei dem langen Talhatsch bis zum Windecksattel gucken wir uns die Talwände an und versuchen, die Lawinenlage zu beurteilen. Manchmal sind wir uns ganz einig und manchmal haben wir völlig verschiedene Ansichten. Nun, wir lernen noch, aber wir sollten uns irgendwann mal mehr oder weniger einig werden.

Ganz oben im Windecksattel müssen wir unter eine dicken Wächte queren. Ralle findet das eine unmögliche Stelle für die Spur, aber es bietet sich leider keine vernünftige Alternative. Wir steigen gut versetzt durch die kritische Stelle auf (wir haben den Lawinenbericht aus dem Teletext im Hinterkopf: 'günstige Bedingungen' - trotzdem ist es höchste Zeit für Piepser für uns!)

Von hier sind es nur noch ein paar Meter bis zu den Unteren Gottesackerwänden. Der eigentliche 'Gipfel', wenn es hier überhaupt einen hat, ist schwer zu finden. Vor uns hat es einen langen Felsabbruch, der sicherlich irgendwo eine höchste Stelle hat, die aber ohne Kennzeichnung nicht auszumachen ist. Also suchen wir uns einen netten windgeschützten Platz auf einem Stein und machen erst mal Brotzeit.

Ach ist das schön, so in der Sonne zu sitzen und ganz einsam vor der großartigen Kulisse des Allgäuer Alpen Hauptkamms Tee mit Rum (was sonst?) zu trinken. Irgendwann machen wir uns dann ans Abfahren. Die steile Stelle am Windecksattel, die wir beide mit Besorgnis betrachtet haben, befahren wir mit einem groß,en Abstand nacheinander. Ralle fährt als erster und zieht große Kurven in den jungfräulichen Schnee. Vor uns sind bisher nur drei Leute hier runter gefahren. So einen tollen Schnee hatten wir bisher noch nie.

Dann fahre ich runter. Der Schnee ist himmlisch! Oben hat es zwar eine feste Schicht, aber die ist nicht so, daß sie wirklich hinderlich wäre. Tiefschnee fahren ist ja nicht grade meine Stärke, aber hier ziehe ich eine ganz passable Spur den steilen Hang runter. Das Fahren hier ist die reine Freude! Ralle sieht das zwar etwas anders, kommt aber gut zurecht.

An der Alpe erwartet uns eine Überraschung. Ein großes Schild mit einem überdimensionierten rot-weiß-roten Pfeil zeigt nach rechts und weist uns an:

Das Landratsamt Oberallgäu ...
... Wildschutz ...
... nicht nach links abbiegen ...
... Geldbuße von bis zu 10.000DM!

Wir sind etwas erstaunt, schließlich sind wir da hoch gekommen und unten war definitiv kein Schild. Aber wir wollen ja keine Wilderschrecker sein, deswegen halten wir uns rechts und folgen Schildern. Es geht lang und weit bergab und - immer weiter nach rechts. Mein Richtungssinn ist erst beunruhigt und schlägt nach einer Weile Alarm. Wenn das so weitergeht, müssen wir durch das ganze Kleinwalsertal zurücklaufen! Bei der ersten Gelegenheit (eine Langlaufloipe) biegen wir nach rechts ab und fahren dann mitten in den Wald rein, einer Skispur und einer wegähnlichen Öffnung folgend.

Wir kommen bei ein paar Häusern raus. Direkt vor uns, auf der anderen Seite des Tales können wir die Kanzelwandbahn sehen. Mit Hilfe der Karte stelle ich fest, wo wir sind und entschließe mich, dieser anderen Skispur nach zu fahren, die rechts von uns in den Wald führt. Dieser Weg endet nach wenigen hundert Metern buchstäblich im Nichts. Nachdem wir uns ein paar Meter mit den Skiern durch Unterholz und Gestrüpp gekämpft haben, bleibt nur noch, die Ski abzuschnallen und die Wahl, in den (gefrorenen) Bach abzusteigen oder ein Stück nach oben auszuweichen. Wir gehen nach oben. (Wer weiß, ob wir aus dem Bach wieder rauskommen?).

Und wir haben Glück. Wir müssen uns nur wenige hundert Meter durch den Wald quälen, dann landen wir auf einer Straße. Die führt uns direkt nach Innerschwenden und zum Mahdtalhaus, wo mein Sunny steht.

Das haben wir nun davon, daß wir besonders umweltfreundlich sein wollten und den Wildschutz beachtet haben. Anstatt durch einen lichten Wald abzufahren, haben wir uns unten durch Jungwald gequält und sicherlich mehr kaputt gemacht, als wenn wir gleich die Aufstiegsspur runter gefahren wären. Und wieso steht unten kein Schild? Ich habe jedenfalls ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich dafür verantwortlich bin, daß wir uns durch den Wald gewurschtelt haben. Wenn's um Orientierung geht, verläßt sich der Ralle immer auf mich.

Trotzdem war's eine phantastische Tour und wir machen die bestimmt mal wieder.

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