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Hintere Schwärze Nordwand

Montag, Juni 30, 2008

Nach einer ausnehmend kurzen Nacht, deren Schlaf-Qualität durch die beiden Neuen in unserem Zimmer, die gefühlt alle halbe Stunde abwechselnd aufs Klo gingen, nicht direkt verbessert wurde, warf ich um Viertel nach drei Ralle und Yak aus dem Bett. Jan hatte zwar solidarisch mit uns aufstehen wollen, aber der sollte von unserem Lärm wach werden - oder eben nicht.

Das Frühstück schmeckte um diese Zeit nicht besser als um Vier. Wir zwangen etwas hinein, räumten unsere Schlafstätten auf und machten uns etwa um Vier mit Stirnlampen auf den Weg. Die Jungs der Vierergruppe vom Nebentisch, die sich am Vorabend nach den Verhältnissen erkundigt hatten und nach eigenem Bekunden ebenfalls die Nordwand der Hinteren Schwärze besteigen wollten, zeigten uns wie man es auch machen kann: gar kein Frühstück und direkt aus dem Bett raus loslaufen. Sie starteten etwa 10 Minuten vor uns.


Blick auf den Marzellferner, mit dem Mond über dem Similaun

Bis zur Brücke (5 Minuten) liefen wir noch in vollständiger Dunkelheit, dann fing es an zu dämmern und wurde schnell hell. Eine Viertelstunde später, etwa auf halber Höhe des Marzellkamms konnten wir die Lampen dann ausschalten. Wir liefen den Schildern für den Neuen Weg zur Hinteren Schwäze nach und bogen erst erstaunlich weit oben nach links zum Gletscher ab. Auch da führte der Weg nicht gleich hinunter sondern lief lang in immer derselbe Höhe am Hang entlang, bevor er nach unten führte. So kam uns der Geltscher sozusagen entgegen und wir verloren nur knappe 100 Höhenmeter. Sehr positiv :-)


Die Sonne beleckt den Similaun

Am Gletscher unten holten wir die Vierergruppe wieder ein, die noch mit Anseilen und Umrüsten beschäftigt waren. Wir taten das ebenfalls und stapften dann auf der Spur der Vierergruppe den Gletscher empor. Erst geradeaus, dann links rüber um den Steilaufschwung links der Mitte zu überwinden.

Der Schnee war erbärmlich weich und trug unten kein Stück. Das Überwinden einer grossen Längsspalte im unteren Teil gestaltete sich dann entsprechend abenteuerlich. Die Vierergruppe wich deswegen dann auch links in die Felsen aus, wir blieben auf dem Gletscher und stiegen den bekannten Weg (auf der Spur der gestrigen Gruppe) weiter auf.

Etwa in der Mitte des Steilaufschwungs war der Schnee dann zumindest oberflächlich gefroren und trug wenigstens die meiste Zeit. Yak, der vorne weg ging, hatte mal wieder den unbequemsten Job und brach am häufigsten durch, allerdings hielten seine Tritte auch uns nicht immer aus. Trotzdem war es dann bis zum Fuss der Nordwand der Hinteren Schwärze weitgehend angenehm und nahezu bequem zu gehen.


Wir nähern uns der Hinteren Schwärze mit der imposanten Nordwand

Je näher wir der Wand kamen umso steiler sah sie aus. Allerdings schien es sich (bis auf einen grösseren Fleck im linken Teil) hauptsächlich um schönen Firn zu handeln der vermutlich gut zu gehen war. Die Vierergruppe vor uns war bereits dabei, sich in 2 Seilschaften aufzuteilen, wir machten erst mal ausgiebig Pause und beguckten uns das Ganze.

Die Jungs hatten sich die ideale Route ausgesucht (links eines kleinen Felsgrates aber rechts der Blankeisstelle), die wir auch genommen hätten, hätten wir die freie Wahl gehabt. Da die aber da nun einstiegen und wir nicht warten wollten, bis auch die zweite Seilschaft ausreichend hoch gestiegen war, entschieden wir uns für eine Route rechts der Felsen, die vom Schnee her auch sehr schön aussah.

Der Weg zum Einstieg, das hatten wir bei den anderen schon gesehen, war tief und weich und anstrengend. Als wir uns dann zu unserer Route hingekämpft hatten, hatten sich die beiden Seilschaften bereits aufgelöst und die Jungs stiegen frei die Wand empor. Schön für die, das traute ich mir wirklich noch nicht zu.


Yak in der ersten Seillänge

Wir sicherten also. Ralle baute einen Ministand mit seinen Eisgeräten im weichen Schnee unterhalb des Bergschrundes und Yak stieg in die erste Seillänge ein. Die Randspalte überwand er auf einer reichlich fragil aussehenden Schneebrücke, die jedoch einwandfrei hielt. Auch den besten Allgäuer von Allen und schliesslich mich.


Der erste Stand

Yak baute etwa 15 Meter über der Randspalte einen Stand aus 2 Eisschrauben und liess uns erst mal nachkommen. Ab da gingen wir unser 70-Meter-Seil jeweils aus, was einen Standplatz-Abstand von gut über 30 Metern machte. Yak und Ralle stiegen abwechselnd und überschlagend vor, ich durfte völlig unbelastet als jeweils zweite nachsteigen.


Ralle steigt eine Seillänge vor

Alles in Allem waren es 8 Seillängen, bis wir oben nur 10 Meter neben der Spur der Vierergruppe rauskamen. Stunden nach denen allerdings. Wir hatten sie bereits in der Hälfte der Wand unten über den Marzellgletscher zurück laufen gesehen. Mit dem Sichern und weil von uns dreien ja jeweils nur einer allein steigen konnten, brauchten wir Ewigkeiten die Wand hoch.


Ich steige nach, Yak steht am Stand unter mir

Wir erreichten den Ausstieg erst um zwei Uhr Nachmittags. Nachdem wir etwa um neun eingestiegen waren, bedeutet das über 5 Stunden in der Wand. Mir zumindest kam es bei weitem nicht so lang vor, dazu war es viel zu interessant. Yak hat hier (rübersurfen lohnt sich, nett erzählt und noch mehr Bilder) sehr schön ausgerechnet, was Sichern in einer Eiswand bedeutet:


Yak pickelt Firn weg um an festes Eis zu gelangen
Also rechnen wir mal. 8 Seillängen da nur 35m, bei zwei Zwischensicherungen und zwei Schrauben für den Stand sind 32 mal Eisschraube setzen. Pro Schraube 5 Minuten sind 160 Minuten, pffff :-(

Yak am letzten Stand (schon bequemer)

Schliesslich waren wir dann doch oben. Ich wäre ja angesichts der fortgeschrittenen Zeit am liebsten sofort abgestiegen (Mann, 100 Höhenmeter unter dem Gipfel, das zählt doch schon beinahe!), aber davon wollte keiner der Männer was hören (Was Wunder, warum schlag ich sowas überhaupt vor?). Wir wühlten uns also durch den aufgeweichten oberschenkeltiefen Sulz nach oben.


Ralle steigt die letzten Meter zum Grat hoch

Ich ging mit bis zum allerletzten Gipfelaufschwung, etwa 20 Meter unter dem Gipfel. Da streikte ich dann. Ein schmaler steiler Felsgrat mit butterweichem völlig haltlosem Schnee drauf - nee, heute nicht mehr, mein Preis war die Eiswand gewesen!


Ralle und Yak am Gipfel

Der Rückweg gestaltete sich oben genauso furchtbar wie ich befürchtet hatte. Wir sanken bei jedem dritten Schritt bis zum Hintern in den matschigen Schnee ein. Erstaunlicherweise wurde das umso besser, je weiter wir runter kamen. Die Querung des Marzelferners war schon gar kein Problem mehr - wenn man mal davon absieht, dass der arme Yak bei jedem zweiten Schritt seine Steigeisen ausklopfen musste, weil seine Antistollplatten irgendwo in der Wand den Geist aufgegeben hatten.


Der lange Abstieg über den Marzellferner

Nach einem langen aber insgesamt erstaunlich unanstrengenden Abstieg erreichten wir den Gletscherrand. Von da bis auf den Marzellkamm war es nicht mehr allzu weit und eine Stunde später konnten wir auf der Hütte endlich jeder ein oder zwei wohlverdiente Radler geniessen. Vor der Hütte hatten wir allerdings noch ein letztes Hindernis zu überwinden. Der Bach war aufs doppelte seiner Grösse angeschwollen und liess sich nur mit einer gehörigen Portion Mut und nassen Füssen überqueren.


Ratlos vor dem reissenden Bach

Es war halb sieben. Am Sonntag Abend. Auf der Martin-Busch-Hütte im Ötztal, 2 1/2 Stunden Fussmarsch und 2 1/2 Stunden Autofahrt von daheim entfernt. Bei der Planung gestern hatten wir noch damit gerechnet, um zwei wieder auf der Hütte zu sein. Spätestens um vier, viel Reserve um gemütlich heim zu kommen und ausruhen zu können, getreu meinem Motto: Keine langen Touren am Sonntag!

Nunja. Half ja nix, wir machten uns recht bald auf den Rückweg nach Vent. Das ging die erste Stunde ganz gut, da hielt noch gut Schritt mit den Männern, dann setzte bei mir die Erschöpfung, De-Hydration oder was auch immer ein. Jeder Schritt schmerzte und damit nicht genug, setzte mir auch noch der Anblick des nahezu endlosen Weges zu. Ich hatte wirklich zu kämpfen, um es bis nach Vent zu schaffen.

Meinen Zusammenbruch nahm ich kurz vor Vent, als die Männer ein Stück vor mir waren und ich allein hinten zwischen den Latschen stand. Keiner hat’s gemerkt, auch wenn der beste Allgäuer von Allen ein wenig komisch schaute, als er zurück kam, um zu sehen wo ich bliebe. Am Auto war ich dann wirklich restlos alle. Neun Uhr. 16 1/2 Stunden Tour.

Daheim waren wir dann um halb Zwölf. Wir hatten uns beim Fahren ja noch abwechseln können, Yak musste ganz allein heim fahren. Angesichts der Strapazen war es fast ein Wunder, dass ich Montags um fünf (eine ganze Stunde später als sonst!) sogar halbwegs wach aus dem Bett hüpfen (naja, mich rausrollen und ins Bad humpeln trifft es eher) und nach München fahren konnte ;-)

Nachtrag:
Der Link muss hier auch noch rein. Die Vierergruppe hat auch ein paar Bilder abgelegt: http://gipfeltreffen.at/showthread.php?t=28684

Von engel am 30.06.2008 19:11 • outdoorberg

Nette Tour. Schöne Fotos. Glückwunsch ;-)

[1] Von Alexandra am 30.06.2008 20:18

Danke, Alex :-)

[2] Von engel am 30.06.2008 22:05
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