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Kellespitze Westgrat

Dienstag, August 05, 2008

Wegen eines interessanten Projekts, das - wenn alles passt - Ende September stattfinden wird, haben wir das Gefühl, dass es höchste Zeit ist, unsere Kletterpraxis zu verbessern. Wäre doch ziemlich blöd, plötzlich in einer Riesenwand das grosse Bibbern zu bekommen und nicht mehr vor oder zurück zu können.

Auf der Suche nach etwas Einfachem in vergleichbarem Schwierigkeitsgrad, das wir nach Möglichkeit seilfrei begehen könnten, grub der beste Allgäuer von Allen schon vor einer ganze Weile den Kellespitze Westgrat aus. Schwierigkeit weitestgehend II und I, stellenweise III- und III. Zudem ist das unsere allererste Klettertour, die wir vor ziemlich genau 15 Jahren im Zuge eines Kletterkurses bei der Sektion Kempten des DAV unternommen haben :-)

Ganz klar, da müssen wir hin! Ich erweiterte das Ganze dann noch um ein paar Höhenmeter mit dem Bike um mir ein paar andere Höhenmeter im Abstieg zu sparen und fertig war eine grossartige Unternehmung: Von der Bärenfalle bei Musau hinauf ins Reintal, zu Fuss in die Kellespitze-Scharte, kletternderweise über den Westgrat zum Gipfel und das Ganze retour (im Abstieg allerdings auf dem Normalweg nicht über den Grat).


Auf dem Weg ins Reintal.

Wir vertrauten dem Wetterbericht und starteten am Sonntag bei bedecktem Himmel, dicken Wolken und vereinzelten Regentropfen ins Lechtal. Als wir mit den Rädern im Parkplatz losfuhren (mit ziemlich schweren Rucksäcken, trotz Kletter-Minimal-Ausrüstung) tropfte es noch von den Bäumen und hin und wieder sogar noch aus den Wolken, aber es klarte auf. Langsam aber sicher. Guter Wetterbericht!


Schilderwald im Reintal.

Überall war es feucht und so lief der Schweiss in wahren Strömen an uns runter. Der Weg hinauf ins Reintal ist nicht übermässig steil, gönnt dem Radler aber anfangs keine Pause. Wo man den Bach quert, zweigt der Fahrweg vom Fussgängerweg ab, führt aber in einer grossen Schleife auch zur Musauer Alm. einen guten Kilometer später waren wir an der Abzweigung zur Kellespitze. Die ersten 600 Höhenmeter waren geschafft.


Vor uns die Kellespitze.

Der hübsche Weg zur Kellespitze-Scharte ist vermutlich vergleichsweise selten begangen und deswegen eher schmal. Zudem ist er steil und zieht bald recht anstrengend durch Latschen und Weiden hinauf zu einem Gedenkstein, wo es durch nahezu unendliche Alpenrosenfelder weiter geht.


Der Aufstieg zur Kellespitze-Scharte.

Stetes Geschrei von der Linken Seite lenkte unsere Aufmerksamkeit auf den wilden Nordgrat der Kellespitze, in der sich zwei Seilschaften befanden. Öh, ganz schön ausgesetzt, damit warten wir besser noch ein wenig.

Der Weg vom Gedenkstein zur Scharte ist weiter als man denkt und zieht sich entsprechend hin. Zwei mal müssen kleine Felsriegel mit einer Drahtseilsicherung überwunden werden, was jedoch nicht weiter problematisch ist. Punkt 12 waren wir in der Scharte, rödelten zum Klettern auf und schwelgten in Erinnerungen: ‘Guck mal, da sind wir damals hoch!’ ‘Und da hinten, da haben wir überhängend abgeseilt!’ Nett :-)


In der Scharte, vor uns der Klettergarten ‘Die 7 Zwerge’.

Kletterpatschen hatten wir nicht dabei, es sollte ja eine Trainingstour für ernstere Angelegenheiten werden, und da hat man ja meistens ‘richtige’ Bergstiefel an.


Umziehen.

Wo genau der Einstieg zum Westgrat zu finden sei, war dem Topo und der Beschreibung schwer zu entnehmen und so richtig erinnern konnten wir uns auch nicht. ‘Naja, am Grat halt.’, dachten wir und stiegen die ersten Meter vom Normalweg weg über ein paar Felsen am Rand der Wiese auf der einen Seite und eines kleinen Abbruchs auf der anderen Seite empor, nur um ein paar Meter weiter oben wieder auf den Normalweg zu treffen. Nunja.

Wir folgten dem Normalweg zwei kleine Kehren weiter und standen dann vor einem imposanten Felsen mit einer Rinne, in der wir vorher noch zwei Leute gesehen hatten. OK, da würde es dann wohl losgehen. Eigentlich hatten wir den Westgrat ja seilfrei gehen wollen, uneigentlich sah der Felsen mit der Rinne nicht direkt einladend aus. OK, dann halt mit Seil. Unten war auch gleich ein schöner Haken zum Sichern. Der Ralle stieg vor.

Die Einstiegswand war dann gar nicht so unhappig (auch weil noch feucht und schmierig), so dass wir doch recht froh an unserem Seil waren. Wir hatten nur das kurze Kletterhallenseil mit 35 Metern dabei, das für die erste Wand grad so ausreichte. Wir machten uns schon ernsthafte Gedanken, ob wir uns da nicht selber reingelegt hatten.


Auf dem Kellespitze-Westgrat.

Doch dann ging es wie beschrieben mit IIer- und Ier-Gelände weiter. Nach der Einstiegswand ging es erst mal recht gemässigt (wenn auch ein bisserl ausgesetzt) weiter, wobei zwei schluchtartige Einschnitte zu queren waren, die im Abstieg volle Konzentration erforderten. Unsere Vorsteiger holten wir an der ersten Schlucht bereits ein, weil die durchgehend sicherten.


Das Seil in guten Händen.

Die nächste heiklere Stelle war wieder vorbildlich mit Bohrhaken abgesichert. Es ging zwar nicht allzu schwierig aber doch recht ausgesetzt über eine abfallende Platte, von der es rechts und links jeweils senkrecht nach unten ging. Wieder reichte unser Seil genau bis zum nächsten Köpfl im Grat und wieder waren wir nicht direkt unglücklich über das Seil.


Fast der gesamte Grat, im Hintergrund Gimpel, rote Flüh und der Haldensee.

Wir überkletterten ein paar weitere Gratköpfe und kamen schliesslich an den Gipfelaufbau, vor dem eine weitere tiefe Scharte zu queren war. Es war nicht ganz klar, wo es nun weiter gehen könnte, also folgten wir ganz einfach der einfachsten Route direkt nach oben. An einem Loch mit einer grossen Sanduhr meinte der Ralle, hier seien wir schon mal gewesen. Echt? Ich konnte mich nicht erinnern.


Sichern an der Sanduhr.

Die Sanduhr erwies sich als sehr angenehm, denn die folgende Wand stellte sich als die SChlüsselstelle heraus. Direkt über der Sanduhr ging es einen leicht überhängenden Felsen mit abwärts geschichteten Griffen hinauf, nach einer kurzen Rinne kam dann nochmal eine minimal überhängende Stelle ohne Griffe. Erst ganz oben gab es einen Haken. Der Ralle setzte zwei Zwischen-Sicherungen und turnte hinauf.

Dann war ich dran. Für Überhänge bin ich eigentlich zu schwer (oder zu schwach, wie man’s sieht), daher versuchte ich mich vor dem Felsen in die Rinne zu spreizen. Als ich meine Griffe und Tritte und deren Reihenfolge ausgesucht hatte, trat ich auf den ersten Tritt auf der linken Seite und nahm den ersten Griff auf der rechten Seite, um mit ein paar schnellen Schritten weiter zu klettern. Der Griff brach bei der ersten Belastung aus und polterte eine steile Rinne hinab ins Nichts. Oha!

‘Was machst Du da unten eigentlich?’, kam es von oben. Der beste Allgäuer von Allen konnte mich nicht sehen, hatte aber natürlich das Gepolter gehört. ‘Klettern!’ fauchte ich, obwohl er ja nichts dafür konnte. Zuviel Adrenalin im Blut macht agressiv. Zum ersten Mal wünschte ich mir Kletterschuhe an die Füsse.

Da Tricksen nun nicht mehr ging, gebrauchte ich rohe Gewalt und zog mich an viel zu kleinen Tritten und Griffen über den abdrängenden Felsen. Puh! Die erste von Ralles Zwischensicherungen hielt bombenfest, die obere war inzwischen allerdings rausgerutscht und hing im Seil über der ersten.

Das kurze Stück Rinne bis knapp unter die Spitze der kleinen Wand war einfach zu klettern, dann kam schon wieder sowas ohne Tritte und und Griffe. III hatte es geheissen. Entweder ich überschätze mich masslos oder das ist kein IIIer! Nach einem ersten Versuch die Stelle tatsächlich zu überklettern, schob ich mich ausnehmend unelegant, den Hintern und die Knie zwischen die Felsen klemmend, einen halben Meter hinauf und hatte dann endlich einen ordentlichen Griff, mit dem es sich weiterklettern liess.


Am Gipfel.

Damit hatten wir alle Schwierigkeiten hinter uns. Die letzten Meter zum Gipfel sahen schwerer aus als sie waren und so konnten wir uns nach ein paar Minuten am Gipfelkreuz ins Gras legen. Geschafft! 2 1/2 Stunden hatten wir für den Grat gebraucht, fanden wir OK.

Der Abstieg über den Normalweg hat auch ein paar ‘lustige’ Abschnitte. Speziell die Stelle, wo ein dickes Drahtseil über komplett glatt geschrubbte Felsen hängt, fand ich doof. Der Rest ist Gehgelände, auch wenn man hin und wieder doch mal an den Fels langen muss. Generell muss man sehr aufpassen, weil alles voller Geröll liegt. Wenn viel los ist, ist da ein Helm sicher kein Fehler.


Rückblick.

Der Abstieg zu den Rädern zog sich wie erwartet ein wenig hin, ich kann aber stolz berichten, dass ich die ganzen 800 Meter Abstieg ohne Gummiknie hingelegt habe (dafür hab ich jetzt ein wenig Muskelkater) :-)

Auf der Musauer Alm gab es dann noch einen prima Eierlikörkuchen mit feinem Kaffee und einem erfrischenden Radler. Danach fielen die runterzuradelnden in der Früh mühsam erkämpften Höhenmeter wirklich leicht. Hach, Kombitouren haben was :-))

Nachtrag:
Nachdem ich nun den Bericht von vor 15 Jahren wiedergefunden habe, frage ich mich ja schon, ob wir uns an der Gipfelwand nicht einfach verstiegen haben. Sooo viel können Bergstiefel statt Kletterpatschen ja auch nicht ausmachen.

Von engel am 05.08.2008 20:32 • outdoorberg

Durchaus möglich, dass ihr da in der Gipfelwand eine
schwierigere Variante erwischt habt.
Genau weiss ich auch nicht mehr, wo es da lang geht (ist auch schon sehr lang her), aber es gibt dort jedenfalls mehrere Möglichkeiten.

[1] Von hawkeye am 06.08.2008 19:04

Ja, das es da mehrere Möglichkeiten geben könnte, fiel uns auch gleich auf ;-) Unser Weg schien uns anfangs zumindest der logischste und einfachste.

Vielleicht hab ich ja auch nur einen wichtigen Tritt oder Griff übersehen. Wenn einem der fehlt, ist ein III-er plötzlich ein V-er. Naja, das vielleicht dann doch nicht, sonst stünde ich jetzt noch da oben ;-)

[2] Von engel am 07.08.2008 11:23
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