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Leiterspitze

Montag, April 21, 2008

“Keine langen Touren am Sonntag!” sage ich immer, wenn der beste Allgäuer von allen mit anstengenden Planungen daher kommt (wenn der Mann irgendwas plant, ist es immer anstrengend), aber die Tour für das Zwischenhoch am Sonntag hab ich mir ganz allein ausgedacht. Selber schuld.

Aber weil es doch so warm werden sollte (und wurde!), wollte ich weit hinauf und sooo schlimm klingt ‘Aufstieg etwa 1450 Meter’ ja auch nicht. Unter idealen Bedingungen stimmt das auch meistens, doch die Bedingungen waren alles andere als ideal.

Als wir nach Gramais hinauf fuhren, lag rundrum schon bedenklich wenig Schnee, aber der Weg zum Branntweinboden hinter war dann doch noch mit Skiern begehbar, man musste nur hin und wieder abschnallen und die Ski tragen. Die Traktorspur war eishart gefroren, doch auf dem harten Schnee daneben liess es sich ganz angenehm gehen.

Weiter hinten gab es nur ansatzweise erkennbare Skispuren, doch sie reichten aus, den Sommerweg zwischen den Latschen hindurch am Bach entlang zu finden. Es ging rauf und runter und es war viel weiter als wir anhand der Karte vermutet hätten. Die Idee, beim ersten steilen Aufschwung zwischen den Latschen gleich Harscheisen zu nehmen war keine besonders gute, so dass wir die Dinger bald wieder entfernten, alles in allem war es ohne doch leichter zu gehen. Bis zum Talschluss brauchten wir 2 Stunden anstelle der 45 Minuten die in Gramais auf einem Schild standen.

Vom Branntweinboden aus ging es sehr steil durch einen Latschenhang hinauf, hinter dem sich ein Hochtal mit idealem Skigelände befinden sollte. Der steile Latschenhang erwies sich als ungemein kraftraubend und widerlich. Anfangs stiegen wir noch im Schatten auf, da war alles noch beinhart gefroren. Trotz der Harscheisen rutschen wir auf dem steilen eisigen spurlosen Schnee andauernd weg, Spitzkehren waren der reinste Balanceakt. Noch dazu war nicht immer klar, wo es denn nun zwischen den vielen Bäumen hindurch gehen sollte, den Sommerweg kennen wir ja nicht.

Auf halber Höhe gelangten wir in die Sonne und da wurde es dann noch anstrengender, denn der Schnee wurde umgehend weich und brach ständig unter den Skiern weg, so dass man hinauf treppeln musste. Genau genommen hätte ich nach der Hälfte des Latschenhangs ohne Bedauern umgedreht, aber die Nachsteiger, die uns inzwischen eingeholt hatten, schworen Stein und Bein, dass der Hang immer furchtbar sei - sommers wie winters - und dass sich die Tortur lohne.

Fluchend (sowohl wir als auch die Nachsteiger) und schwitzend erreichten wir schliesslich die Lärchen am oberen Ende des Steilhangs und betraten das versprochene wunderbare Hochtal. Und es war schön hier oben, weite Hänge, sanft geneigt, von steilen Felsgraten umgeben. OK, die Schinderei hatte sich gelohnt. Erfreut machten wir uns auf den Weiterweg. Von den angeblich 4 1/2 Stunden Zustieg zur Leiterspitze hatten wir inzwischen bereits 3 Stunden verbraten dabei aber erst knapp 400 Höhenmeter zurück gelegt. Weia.

An sich hätte der Aufstieg durch das weite Hochtal bis zum Albitjoch die reine Freude sein können, doch waren wir inzwischen bedauerlich spät dran und so brach ich - schwerer als der beste Allgäuer von Allen und offensichtlich auch schwerer als all die anderen Aufsteiger vor mir - bei jedem zweiten Schritt durch die obere Harschschicht. Das trug nicht wirklich zur Erholung bei und ich war schon ziemlich alle, als wir dann beim Albitjoch endlich einen Blick auf die Leiterspitze bekamen.

Uff, so weit noch? Andererseits: Wow!

Erst mal ging es über eisigen Firn ein Stück hinab, dann begann der weitere Aufstieg über weite hart gefrorene Hänge, die vergletschert anmuteten. Das Queren auf steilem harten Firn hatte uns unten schon nicht gefallen und tat weder meinen Knien noch Ralles Kreuz besonders gut. Ich fügte mich den Gegebenheiten und zog wieder die Harscheisen auf. Der Ralle dagegen fand, der steile Firnhang sei viel mehr für Steigeisen geeignet und fing an umzubauen. Die Ski an den Rucksack, die Steigeisen an die Stiefel.

Das war keine gute Idee, denn der Firn war zwar hart und liess sich von den Skikanten nicht im Geringsten beeindrucken, trug aber noch nicht. Er brach bei jedem Schritt ein, was den Aufstieg zu einer ausnehmend schweisstreibenden Aktion gestaltete. Nach gut 50 Höhenmetern Aufstieg gab er sich geschlagen und stieg auf Ski mit Harscheisen um während ich weiter oben auf ihn wartete.

Danach warteten ‘nur noch’ die steile Rinne zwischen Grosser und kleiner Leiterspitze ,etwa 150 Höhenmeter, und natürlich die 100 Meter Gipfelgrat auf uns, die zu Fuss zu bewältigen waren. Ausnahmsweise war der beste Allgäuer von Allen nur unwesentlich schneller als ich, die Steigeisenmeter müssen irre anstrengend gewesen sein.

Nach 7 Stunden waren wir in der Scharte zwischen den Leiterspitzen. Die bereits im Abstieg befindlichen Vorgeher meinten, oben wehe ein ungemütlicher Wind, die Brotzeit in der Scharte sei viel angenehmer. Guter Vorschlag. Wir liessen die Rucksäcke zurück und machten uns auf den Weg zum Gipfel. 100 Meter steiler Firngrat.

Oben waren wir einsam und allein und hatten (im tatsächlich reichlich kühlen Wind) einen gigantischen Ausblick auf die umgebenden Lechtaler Alpen. Allzulang hielt es uns nicht da oben, nach einer Viertelstunde ging es wieder hinab in die Scharte. Ich fand den Abstieg über den bestimmt 50 Grad steilen Grat schon ganz schön ausgesetzt, der Ralle meinte aber, der Island Peak sei noch steiler und ausgesetzter gewesen. Boah! aber immerhin hatte es da ein Fixseil, hier nicht.

Wir stiegen vorsichtig ab. Allzu schlimm fand ich es nicht mal, obwohl ich mir beim Hochweg durchaus Gedanken über den Abstieg gemacht hatte. Nach gemütlicher Brotzeit (inzwischen war es fast 15:00h, der Schnee unten konnte kaum noch nasser werden, wir hatten alle Zeit der Welt), ging es ans Abfahren. Der Harsch in der Rinne war inzwischen aufgegangen und zwar nicht mehr schön aber immer ganz gut zu fahren. Gefährlich schien mir die rein westliche Querung hinüber zur Scharte zum nordöstlichen Abfahrtshang. Der Schnee war komplett durchfeuchtet und sicherlich abrutschgefährdet. Wir sausten mit grossem Abstand so schnell wie möglich rüber.

Der nordöstliche Abfahrtshang war dann völlig unerwartet die reine Abfahrtsfreude, wenn man nicht zufällig ein verharschtes Stück erwischte. Knietiefer Pulverschnee, Abwedeln für Götter :-)

Im Flachstück unter dem Hang schienen Leute Pause zu machen, doch hin und wieder hob einer beide Arme. Das alpine Notsignal, nicht gut. Wir fuhren hinüber und trafen auf den Telemarker, der uns mit seiner Freundin beim Aufstieg so schnell überholt hatte. Bei ihm standen zwei der Vorsteiger. Der junge Mann hatte sich das Knie verdreht und man wartete auf den Hubschrauber. Die beiden anderen Vorsteiger waren abgefahren, weil hier oben kein Handy-Empfang war und die Freundin des Verunglückten war inzwischen ebenfalls abgefahren.

Da wir nicht weiter helfen konnten, fuhren wir weiter und versprachen auf das Mädel zu achten, für den Fall, dass sie sich im Latschenhang verfahren hatte.

Inzwischen war der Schnee recht nass geworden, doch in der oberen Hälfte des Hochtals konnte man mit weiten schnellen Schwüngen noch ganz gut fahren. Je weiter wir runter kamen, umso nasser wurde der Schnee und umso schwerer wurde das Fahren. Schliesslich fing der patschnasse Schnee auch noch an, beunruhigend bei jeder Kurve mitzurutschen. Wir waren sehr froh, endlich den Latschenhang erreichten.

Nicht lang allerdings, denn sich in dem nassen Schnee durch die Latschen zu winden, war harte Arbeit. Bis wir unten waren, waren wir schweissgebadet und schälten uns erst mal aus den Jacken und den Helmen. Dann ging es an den Rückweg im Tal, wo es sich als ausnehmend unpraktisch erwies, frisch gewaxte Ski zu haben. Die vielen Zwischenaufstiege wären mit weniger rutschigen Skiern deutlich einfacher gewesen ;-)

Nach 10 1/2 Stunden waren wir wieder am Auto. Keine langen Touren am Sonntag, ist doch klar! Auf dem Heimweg gab es erst mal eine Riesenpulle Sprite, weil wir völlig ausgetrocknet waren und daheim reichte es ausser für Kochen und Duschen nur noch für einen Zusammenbruch vor dem Fernseher. Und der Weg nach München heute morgen war ungewöhnlich anstrengend. Trotzdem: Super Tag!

Von engel am 21.04.2008 19:22 • outdoorski

Sakkra!  ;-))

Jaja, der greissliche Latschengürtel bei den Gramaiser Touren *g
Und ich hab 165 hm zu wenig gemacht *lol*

Dann mal bis Sonntag

[1] Von hawkeye am 21.04.2008 20:20

Wieso denn, Du bist doch noch immer fast überall vor uns, hawkeye. Nur bei den ‘Höhenmetern pro Tour’haben wir Dich jetzt mal wieder eingeholt. Aber die 7 Meter sind nicht ganz einfach einzuholen, vor allem wenn wir demnächst dieselben Touren machen werden ;-)))
Hör mir bloss auf mit dem Latschengürtel, mir tut noch immer alles weh (aber toll war’s) ...

[2] Von engel am 21.04.2008 21:01

Hey ihr zwei, fantastische Tour, unglaubliche Kulissen, sagenhafte Bilder, Respekt, wunderschön, ehrlich. Aber nicht meine Welt.
Und zum Thema “keine langen Touren am Sonntag”.
Lieber kriech ich am Montag in der Früh aufm Zahnfleisch ins Gschäft, oder lass mich meintswegen auch hintragen, als daß ich mir das Wochenende mit Gedanken an die Müdigkeit am nächsten Morgen versauern lass :-) Das geht echt zu weit ...
Liebe Grüße

[3] Von andi am 22.04.2008 00:28

Naja, Skifahrerwelt halt, Andi :-) Vielleicht ist die Gegend ja im Sommer was für Dich. Auch da ist der Gramaiser Latschengürtel eine Herausforderung, besonders nachmittags in der Sonne.
Was die Müdigkeit am Montag angeht, liegen ja üblicherweise 150 Kilometer in der Dunkelheit zwischen mir und der Arbeit. So ein gewisser Grad Wachheit schadet da nicht. Sonntags mag ich einfach 7-Stunden-Touren lieber.

[4] Von engel am 22.04.2008 06:08

http://www.alpic.net/forum/index.php?topic=1615.msg12404;topicseen#msg12404

na…hast du den Tollen Hecht auch getroffen ?

lg - charly

[5] Von charly am 22.04.2008 13:25

Möglich, charly, ich wüsste aber nicht wer der Hecht gewesen sein sollte, das Bildchen im Forum ist dann doch zu undeutlich und klein.
Dich hätte ich erkannt :-)

[6] Von engel am 22.04.2008 15:32

Hallo zusammen. Großes Lob! Der Bericht gehört zu den Besten, die ich je gelesen habe - macht richtig Spaß ihn zu lesen. Ich kenne den besagten Hang auch, allerdings nur vom Sommer. Damals wurden die Latschen auch unerträglich heiß und von Spaß war auch keine Rede mehr. Die unglaublichen Eindrücke am Gipfel machten das ganze aber wieder wett. Gruß, Max

[7] Von Max am 22.04.2008 17:12

Schönen Dank für das Lob, Max :-)
Genau da war ich im Sommer noch nicht (wird nachgeholt), aber den widerlichen Latschengürtel hab ich an anderer Stelle bereits diverse Male genossen ;-)
Und genau so ist das - der Gipfel macht all die Unerträglichkeiten vom Aufstieg dann eben doch wieder erträglich.

[8] Von engel am 22.04.2008 17:43

@ engel
wir waren schon unten im branntweintal.
es haben uns zwei eingeholt.
der eine fragte nach ob wir handyempfang haben.
er konnte dann doch selbst tel. und hat den hubschrauber angefordert.
ansonsten kann ich dem bericht nur zustimmen.
viele grüße

[9] Von tollerhecht1 am 23.04.2008 11:12

Das müssen unsere direkten Vorsteiger gewesen sein, Hecht, von den Vieren sind nämlich Zwei beim Verletzten geblieben und Zwei abgefahren um zu telefonieren.

Ich schliesse also, dass Du einer der beiden ersten Abfahrer gewesen sein musst. Ihr seid bereits die Rinne runtergekommen, als wir uns noch hinauf geqält haben ...

[10] Von engel am 24.04.2008 10:46

Toller Bericht und schöne Bilder. Als Norddeutscher hat es mich bisher leider nur in die Alpen zum Wandern geschlagen. Würde zu gerne auch mal im Winter in die Berge fahren.

[11] Von Bundle am 30.04.2008 02:52

Danke, Bundle :-)
Winter in den Bergen hat was, ist aber nicht ganz unproblematisch, wenn man sich von den gesicherten Pisten entfernt. Soll nicht heissen, dass ich abrate, aber solides Grundwissen über Schnee und Lawinen plus aktuelle Informationen sind sehr anzuraten ...

[12] Von engel am 06.05.2008 17:07
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