Die Nacht nach dem Unfall war besser als befürchtet. Abgesehen davon, dass es irgendwann sehr warm im kleinen Zimmer wurde, schlief ich ganz gut. Nach dem Aufstehen machte ich noch mal Inventur und beschloss dann, dass das mit der Bergtour schon hinhauen würde. Der beste Allgäuer hatte nicht so sehr gut geschlafen, der kann in Hütten einfach nicht gut schlafen, Ohrenstöpsel hin oder her.
Das Frühstück war einfach und zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass alles (Brot, Käse, Wurst) sehr, sehr dünn geschnitten war. Aber es gab reichlich und so war das nicht wild. Ich hätte mir nur für den Kaffee etwas größere Tassen gewünscht ;-)
Wir trafen die 3 anderen Übernachter kurz am Frühstückstisch. Die hatten aber alle andere Ziele oder wollten allein gehen (‘Ihr seid so viel schneller!’), deswegen machten wir uns allein auf den Weg. Die Temperaturen hatten wir sehr unterschätzt, deswegen mussten wir schon kurz nach der Hütte eine Schicht ablegen.
Wir gingen von der Hütte erst mal direkt nach Osten zur Aussichtskanzel am Gatterl (Blick auf Innsbruck) und bogen dann auf den Höttinger Schützen-Steig ein. Der fängt gleich so an, wie er dann weiter geht: schmal, geröllig, teils etwas ausgesetzt. Also genau so, wie wir das gern haben. Zwischendrin hat es auch mal ein Drahtseil, aber sonst ist das ein ziemlich naturbelassener Steig durch eine sehr steile Karstwand mit viel Aussicht.
G trafen wir am Anfang und sahen sie immer wieder irgendwo hinter uns. Wir machen aber viele Pausen für Fotos, Trinken und Sonstiges, deswegen war sie dann nie so weit hinten, wie man hätte annehmen können.
Am kleinen Sattel nach der Steilwand sahen wir unser Ziel, den Kleinen Solstein, zum ersten Mal (wirklich zum ersten Mal, beim letzten Mal hier war Nebel und nahezu null Sicht). Wir stiegen auf der anderen Seite über Grasmatten mit fast schon verblühten Edelweiß zur letzten Querung auf und waren dann an der Wegekreuzung, an der wir beim letzten Mal komplett im Nebel gestanden hatten. Diesmal gingen wir nach rechts.
Der Anstieg zum Kleinen Solstein fängt mit der Querung einer gigantischen Rinne an, in der man gelegentlich etwas hinlangen muss (meistens mit Drahtseilen gesichert) und geht dann auf der anderen Seite ziemlich direkt über stufige Schrofen zum Vorgipfel hinauf. Zum Hauptgipfel mit Kreuz geht es dann noch mal etwas kraxelig über den Grat rüber. Das ist insgesamt alles wirklich sehr nett, auch wenn ich gelegentlich kleine Probleme hatte, weil ich meine linke Hand wegen des Unfalls kaum benutzen konnte (Aufstützen ging nicht, festhalten ging nicht, biegen und beugen ging nicht, usw.).
Oben waren 3 lautstarke Tiroler, die sich anschickten, die Gratüberquerung bis zur Hohen Warte zu machen (war nicht zu überhören), dem Anschein nach ein ausgesetzter Bröselgrat sondersgleichen, den ich mit mindestens III eingeschätzt hätte. Die drei Tiroler sprachen von VI und schienen dann doch nicht ganz überzeugt, dass das eine gute Idee sei. Der Erste war schon über die erste ausgesetzte Stelle drüber und redete den anderen gut zu, aber der Zweite gab nach wenigen Metern auf und der Dritte machte überhaupt keine Anstalten loszugehen. Der Erste kam dann auch wieder zurück und alle drei stiegen wieder über den Normalweg vom Kleinen Solstein ab, nach wie vor laut diskutierend. Ich war ernsthaft erstaunt, dass sich eine reine Männergruppe auf Umdrehen hatte einigen können und beglückwünschte (innerlich) alle zu dieser guten Entscheidung. Wenn man so was so halblebig angeht, dann geht es bestimmt schief.
Die Tiroler hatten die Gipfelbank (Teil des alten Kreuzes) frei gemacht und wir machten dort ausgiebig Pause. Dann stiegen wir auch ab. G trafen wir im oberen Drittel des kleinen Solsteins. Das Schrofenzeug und die Kraxelrinne stieg ich ohne Stöcke ab, danach nahm ich welche. Die linke Hand kam gut mit den Stöcken zurecht, weil ich die Hände ja eh immer nur in die Schlaufen hänge und nicht wirklich zugreife.
Der kurze Aufstieg zum Großen Solstein war dann noch mal richtig anstrengend. Oben hatte es leider kaum Sonne, aber etwas Wind, sodass es nicht sehr gemütlich war. Wir blieben nicht lang.
Der Abstieg durchs Wörgltal war dann eher nicht toll (viel loses Geröll, abfallende Platten und lustige Mischungen aus beidem), ging aber doch recht schnell, weil es ziemlich steil ist. Unten steigt man dann lang auf einem steilen Weg durch Latschen ab und dann steil durch Wald und da war dann irgendwo auf einen Schlag alle meine Energie weg und der Abstieg wurde unglaublich anstrengend. Wir schafften es aber zurück zur Hütte ;-)
Dort gab es erst mal Kaiserschmarrn – versehentlich die große Portion – und Bier, dann holten wir unser Hüttenzeug aus dem Jägerzimmer und fuhren zum Auto ab. Das war anstrengend für die linke Hand und ich fuhr langsamer und noch vorsichtiger als sonst, ging aber sonst einigermaßen problemlos. Am Heimweg gab es Stau am Fernpass, wir brauchten aber trotzdem wieder nur knapp über 2 Stunden.
Den Unfall hätte es nicht gebraucht, aber das war ein schönes Wochenende :-)
Start an der Hütte, die Wand mit dem Steig direkt voraus
Einstieg in den Höttinger Schützensteig
Anstieg mit Blick aufs Kirchbergköpfl
Auf dem Höttinger Schützensteig
Ungerührter Steinbock beim Grasen
Edelweiß
Vor dem Kleinen Solstein
In der Querung der großen Rinne
Anstieg mit Blick auf Innsbruck
Im oberen Bereich des kleinen Solstein
Grat zum Hauptgipfel
Am Gipfel mit Aussicht
Auf dem Gipfelbänkle
Abstieg
Im Gebrösel der großen Rinne
Auf dem Weg zum Großen Solstein
Großer Solstein
Abstieg durchs Wörgltal
Plattenquerung
Waldabstieg
Kaiserschmarrn
Abfahrt